Der von der Kommission vorgelegte Reformplan sieht zudem den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen vor.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Weckruf. Sie führte Europa vor Augen, wie anfällig etwa das Gesundheitssystem der Staaten im Krisenfall ist. Nun will die EU die Pharma-Gesetzgebung grundsätzlich reformieren und auf diese Weise gegen Medikamenten-Engpässe, hohe Preise und eine ungleiche Versorgung mit Arzneimitteln in Europa vorgehen. Ziel ist, zugleich die Versorgung der 27 Mitgliedstaaten zu verbessern, die Entwicklung neuer Präparate zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu unterstützen.

 

Zu viele Antibiotika in der Tiermast

Ein zentraler Punkt der geplanten Regelung ist der Kampf gegen die zunehmende Antibiotikaresistenz. „In Europa sterben 33 000 Menschen jährlich, weil Antibiotika nicht mehr wirken“, sagt der CDU-Politiker Peter Liese, Gesundheitspolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. „Wir müssen hier dringend etwas tun.“ Er fordert, den weit verbreiteten Einsatz dieser Arznei etwa in der Tierzucht drastisch zu reduzieren. Aber auch bei der Behandlung von Menschen müsse damit verantwortungsvoller umgegangen werden.

Nach dem Willen der EU-Kommission soll die Entwicklung neuer Antibiotika in Zukunft belohnt werden. „Es gibt seit 20 Jahren praktisch keine neuen Antibiotika und wir brauchen diese dringend, um Zehntausende von Menschenleben zu retten“, warnt Peter Liese. Für die Pharmakonzerne sei dieser Bereich schlicht nicht mehr lukrativ.

Neuentwicklungen sollen belohnt werden

Die EU-Kommission schlägt daher vor, Firmen für die Entwicklung eines neuen Antibiotikums dadurch zu belohnen, dass sie ein einträglicheres Medikament aus ihrem Sortiment ein Jahr länger exklusiv verkaufen dürfen oder dieses Recht an ein anderes Pharmaunternehmen verkaufen können. Dieser Ansatz wird schon seit ein paar Monaten diskutiert und stieß bei mehreren Mitgliedsländern sowie bei Verbraucherschützern auf Kritik.

Mit dem vorgelegten Reformpaket soll auch verhindert werden, dass es erneut zu Engpässen in der Versorgung mit Arzneimitteln kommt. So will sie etwa bis Jahresende eine Liste wesentlicher Arzneimittel aufstellen. Auf dieser Grundlage könnte dann die Pflicht eingeführt werden, die betreffenden Medikamente zu bevorraten. Es sei das „übergeordnete Ziel der Reform sicherzustellen, dass Patienten in der gesamten EU rechtzeitig und gleichberechtigt Zugang zu Arzneimitteln haben“, schreibt die Behörde. Ein Weg dies zu erreichen, soll zudem die Verkürzung bei der Marktexklusivität sein, also dem Schutz der Originalmedikamente vor günstigen Nachahmern.

Die Pharmabranche reagiert eher kritisch

Vor allem dieser Punkt wird von den Unternehmen kritisiert. „Das Ziel, die Versorgung mit neuen Medikamenten zu fördern, wird ganz klar verfehlt“, sagt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie. „Reduziert sich der Schutzzeitraum, demotiviert dies die Unternehmen, die kostenintensive Forschung für neue Medikamente weiterhin hier zu betreiben.“ Wie die Regeln in Zukunft tatsächlich aussehen, ist im Moment noch ungewiss. Über die Vorschläge werden in den kommenden Monaten das Europaparlament und die EU-Staaten verhandeln.