Die AOK Baden-Württemberg hat 2008 mit ihrem Programm Neuland betreten. Eine Studie zeigt, dass Patienten wie Ärzte mit den Ergebnissen zufrieden sind. Die Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen wirke sich positiv aus.

Berlin - Das Hausarztmodell der AOK Baden-Württemberg verschafft vor allem chronisch kranken Menschen eine verbesserte medizinische Versorgung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Chef der Südwest-AOK, Christopher Hermann, am Freitag in Berlin vorstellte. Derzeit nehmen 1,1 Millionen Versicherte am Hausarztprogramm der Kasse teil. Zwei Drittel von ihnen sind chronisch krank. Das Ziel des Programms ist, dass der Hausarzt als Lotse wirkt und die Behandlung eines Kranken koordiniert.

 

Deshalb haben Teilnehmer am Programm zwar weiter die freie Arztwahl. Sie verpflichten sich aber, Fachärzte nur nach Überweisung des Hausarztes aufzusuchen (das gilt nicht für Termine beim Augen-, Kinder-, und Frauenarzt sowie die Notfallversorgung). Die Programmteilnehmer werden von 3500 Hausärzten betreut. Diese Mediziner bekommen dafür eine höhere Vergütung und sagen im Gegenzug auch zu, sich fachlich fortzubilden und mit Blick auf die Arzneimittelversorgung ihrer Patienten an Qualitätszirkeln teilzunehmen.

Patienten, die im Hausarztprogramm eingeschrieben sind, seien zufriedener und fühlten sich besser versorgt als Kranke außerhalb des Programms, sagte Joachim Szecsenyi von der Universität Heidelberg, der an der Studie mitgewirkt hat. Es wirke sich medizinisch positiv aus, dass die Teilnehmer am Hausarztmodell der AOK Baden-Württemberg öfter an strukturierten Behandlungsprogrammen teilnähmen, wie es sie zum Beispiel für Diabeteskranke oder Menschen mit einem Herzleiden gibt.

Die Ärzte freuen sich, dass sie von Bürokratie entlastet werden

Ferdinand Gerlach von der Universität Frankfurt betonte, dass es heute im deutschen Gesundheitswesen oft eine organisierte Verantwortungslosigkeit gebe. Dies sei dann der Fall, wenn niemand die oft komplexe Behandlung von älteren und chronisch kranken Menschen in die Hand nehme und sie steuere. Das Hausarztprogramm sei ein wichtiger Schritt, diesen Zustand zu überwinden.

Lob für das Programm kommt auch vom Hausarztverband. „Die teilnehmenden Ärzte sind hochzufrieden, weil sie von ihrer Bürokratielast und dem Hamsterrad der Fünf-Minuten-Medizin befreit sind“, so betonte der Bundesvorsitzende des Verbands, Ulrich Weigeldt. Zudem bekämen sie, was in der Regelversorgung fehle: ein faires und planbares Honorar. Nach den Worten Hermanns wird die AOK das Modell auf weitere Facharztgruppen ausdehnen. Bis zum Jahr 2015 soll es im Südwesten die flächendeckende Versorgungsstruktur sein. Er wies darauf hin, dass sich durch Änderungen bei der Verordnung von Arzneimitteln und vermiedene Klinikbehandlungen auch sinnvolle wirtschaftliche Effekte ergäben, die er auf 70 Millionen Euro bezifferte. Damit könnten die Investitionen für das Hausarztprogramm bezahlt werden.

Das Programm trat im Juli 2008 in Kraft. Damit betrat die Südwest-AOK Neuland, weil die Versorgung von Kranken erstmals nicht über eine Regelung mit der Kassenärztlichen Vereinigung erfolgte. Vielmehr hat die Kasse das Programm mit dem Hausärzteverband und der Ärzteorganisation Medi entwickelt. Hermann erklärte, dass sich dieser Ansatz bewährt habe. Die Ergebnisse der Studie widerlege all die Politiker und Akteure im Gesundheitswesen, die das Modell kritisiert hätten. Er rief die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für Hausarztprogramme zu ändern. Es sei völliger Unsinn, dass ab 2014 neue Modelle nur dann möglich seien, wenn sie sofort Einsparungen auslösten.