Das jüngste Pflegestärkungsgesetz hat die Heimkosten sinken lassen. Aber nur für kurze Zeit. Jetzt wird wieder erhöht – und zwar ausschließlich zu Lasten der Patienten. Und es dürfte noch teurer werden.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Als Frank L. (Name geändert) Ende Februar das Schreiben des Heimträgers geöffnet hatte, machte er große Augen. Der städtische Eigenbetrieb Leben und Wohnen (ELW) teilte ihm mit, dass er für die Unterbringung und Betreuung seiner Mutter künftig 2514 Euro statt bisher 2188 Euro im Monat zu zahlen habe, rund 325 Euro mehr. Einen Aufschlag von „knapp 15 Prozent halte ich fast schon für skandalös und unsozial“, sagt Frank L. und ärgert sich.

 

An dieser Einschätzung ändert auch die Erklärung des ELW nichts, dass der höhere Selbstzahlerbeitrag durch die „Verbesserung der Personalschlüssel nach den Vorgaben des Pflegestärkungsgesetzes“ und dem entsprechenden neuen Rahmenvertrag sowie durch „Lohnsteigerungen“ zustande komme. Durch höhere Ausgaben für das Personal (plus 8,48 Prozent) und Sachkosten (plus 1,42 Prozent) seien Mehrkosten von 9,9 Prozent entstanden. Das kann Frank L. durchaus nochvollziehen. Wenn er die Zahlentabellen durchgeht, fällt ihm aber auch noch etwas anderes auf: „Der Beitrag der Pflegekasse steigt um keinen Cent.“ Er findet, es sei nicht in Ordnung, dass die Kostensteigerung „zu 100 Prozent auf den Pflegebedürftigen abgewälzt wird“.

100 bis 300 Euro teurer

Sabine Bergmann-Dietz, die Chefin des ELW, bestätigt die Darstellung des Angehörigen. Die Kostensteigerungen für die Pflegebedürftigen betrügen in den Einrichtungen des ELW seit Anfang April grob „100 bis 300 Euro“. Sie betont aber, dass kein Träger seine Preise selbst festlege, diese würden vom Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) und den Pflegekassen ausgehandelt. Der höhere Eigenanteil habe seine Ursache auch in der Verbesserung der Personalausstattung in den Pflegeeinrichtungen in der Folge des Pflegestärkungsgesetzes (PSG) II sowie durch höhere Gehaltstarife. Sie habe für die Verärgerung der Familie Verständnis, sagt Bergmann-Dietz. „Aber unsere Mitarbeiter wollen auch ihr Geld – und das muss irgendwoher kommen.“ Der ELW unterhält in Stuttgart Pflegeeinrichtungen an 13 Standorten mit 791 Plätzen und 603 Vollkräften.

Dabei ist es nicht lange her, dass die Kosten für die Pflegebedürftigen für kurze Zeit sogar etwas gesunken waren. Beim Übergang von den früher drei Pflegestufen zu den heute geltenden fünf Pflegegraden von 2016 auf 2017 „haben sich die Eigenanteile eher reduziert“, sagt Kurt Greschner, Bereichsleiter Altenhilfe bei der Stuttgarter Caritas. Er nennt als Beispiel ein Einzelzimmer, für das zuvor 2545 Euro zu bezahlen war, danach 2343 Euro. Sabine Bergmann-Dietz spricht von einer „Reduzierung der Kosten von zum Teil mehr als 200 Euro“ im Monat. Frank L. hatte zuvor etwas über 2500 Euro für den Heimaufenthalt seiner Mutter zahlen müssen. „Das Pflegestärkungsgesetz war kostenneutral oder die Eigenanteile sogar günstiger“, betont Kurt Greschner. „Da kann man der Politik keinen Vorwurf machen“, findet auch Bernhard Schneider, der Hauptgeschäftsführer der evangelischen Heimstiftung. „Die Pflegeversicherung zahlt mehr.“ Wahr sei aber auch: „Die höheren Leistungsbeträge sind zum Teil schon wieder aufgezehrt.“

Weitere Kostensteigerungen absehbar

Im Zuge der neuen Rahmenvereinbarungen, in die auch die sich aus dem PSG II ergebenden besseren Personalschlüssel sowie Tariferhöhungen eingearbeitet sind, steigen die Kosten wieder. Bernhard Schneider hat für die Heimstiftung, die mit 100 Einrichtungen – davon 86 Pflegeheime – und rund 8100 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Altenhilfe im Land ist, die Kostenzuwächse ausgerechnet. Im Durchschnitt liege das Plus bei den Personalausgaben zwischen 9,5 und 11,5 Prozent, so Schneider.

Dass man nun mehr Personal hat und dieses besser bezahlt wird, ist aus Sicht der Heimträger durchaus erfreulich. Dennoch kann Bernhard Schneider die Haltung von Angehörigen wie Frank L. gut verstehen. „Die Angehörigen haben recht“, sagt der Chef der Heimstiftung. „Die Leistungsbeträge sind zu niedrig.“ Dass die Pflegekasse nur etwa die Hälfte der Kosten übernehme und dieser Anteil gleich bleibe und nicht steige, hält Bernhard Schneider für „ungerecht“. Einstweilen wird sich daran aber nichts ändern. „Der Eigenanteil wird weiter steigen“, ist sich Kurt Greschner sicher. So werde der gute, vor wenigen Tagen erzielte Tarifabschluss im öffentlichen Dienst „bei den nächsten Preisverhandlungen in die Pflegesätze einfließen“, so der Bereichsleiter der Caritas. „Dann liegen wir wieder über den Preisen von 2016.“