Es gibt die Angst vor dem Zahnarzt. Die kann so schlimm sein, dass sie krankhaft ist. Die Betroffenen müssen zum Psychotherapeuten – und zwar möglichst bevor die Zähne faulen.
Berlin/Bochum/Stuttgart - Jeder kennt sie, jeder hasst sie, jeder will, dass sie schnell wieder weggehen. Zahnschmerzen. Und es gibt die Angst vor dem Zahnarzt. Die kann so schlimm sein, dass sie krankhaft und noch schlimmer als das Zahnweh ist. Diese Panik vor dem Zahnarztbesuch nennt man auch Dental- oder Odontophobie. Fragen und Antworten zu einer weit verbreiteten psychischen Störung.
Was ist eine Dentalphobie?
Anfangs pocht und zwickt es nur ganz leicht, dann immer stärker. Wenn die Pein zu groß wird und weder Hausmittelchen noch Schmerztabletten helfen, lässt sich der Gang zum Dentisten nicht mehr aufschieben. Niemand geht gerne zum Zahnarzt. Doch eine echte Zahnbehandlungsphobie geht noch weit darüber hinaus.
„Bei einer Zahnbehandlungsphobie erscheinen Betroffene erst gar nicht in der Praxis und das oft über viele Jahre hinweg“, sagt Peter Jöhren, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Leiter der Zahnklinik Bochum. Diese Phobie – also eine übersteigerte Angst vor etwas– führt fast immer zu einer jahrelangen Vermeidung zahnärztlicher Behandlungen.
Wie viele Betroffene gibt es in Deutschland?
Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) leiden fünf bis zehn Prozent der Menschen in Deutschland unter einer Zahnbehandlungsphobie. Dabei handelt es sich um eine psychosomatische Angsterkrankung. Betroffene geraten regelrecht in Panik, wenn sie auch nur an den Besuch beim Zahnarzt denken.
„Das kann sich beispielsweise in Form von Schweißausbrüchen, Herzrasen, Schwindel und Kreislaufproblemen äußern“, erklärt Thomas Wolf. Er ist Oberarzt an der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Universität Bern.
Was verursacht diese massiven Ängste?
Es gibt mehrere mögliche Ursachen der Angst. „Oft ist es der erlebte Schmerz vor, während und nach einer Zahnbehandlung, der bei betroffenen Patienten zur Vermeidung führt“, erklärt Jöhren.
In einer Studie gaben 86 Prozent der betroffenen Patienten an, dass sie traumatisierende Erfahrungen im Behandlungsstuhl erlebt hätten – zu 70 Prozent in der Kindheit.
Was können Betroffene tun?
Einfach nicht hingehen ist schließlich keine Option: Entzündete Zähne, die über einen längeren Zeitraum unbehandelt bleiben, können fatale Folgen haben – vom Schmerz mal ganz abgesehen. „Möglich sind ernsthafte akute und chronische Erkrankungen“, betont BZÄK-Vizepräsident Dietmar Oesterreich.
So können Bakterien über den befallenen Zahn hinaus bis tief in die Kieferknochen eindringen. Über den Blutkreislauf kann es so zu einer manchmal lebensbedrohlichen Entzündung im Körper kommen.
Wie geht der Zahnarzt bei Angstpatienten vor?
Nach Aussage Jöhrens steht am Anfang die Selbstbeurteilung des Patienten. Mittels eines speziellen Fragebogens wird das Ausmaß und die Ausprägung der Ängste erfasst. Danach folgt eine ausführliche Beratung, die dazu dienen soll schrittweise eine Vertrauensbasis zwischen Zahnarzt und Patient aufzubauen.
Hier geht es zum Fragebogen Zahnarztangst und Zahnbehandlungsphobie.
Wie geschieht bei einem Notfall, wenn eine Behandlung unaufschiebbar ist?
Ohne Behandlung der Phobie geht es also nicht. „Das ist aber nicht Aufgabe von Zahnärzten, sondern von ausgebildeten Psychotherapeuten“, sagt Wolf. Bei akuten Schmerzen, die eine zahnärztliche Therapie unaufschiebbar machen, kann der Angstpatient gegebenenfalls unter Sedierung oder unter Vollnarkose gesetzt werden.
„Eine Vollnarkose sollte aber nur bei akut notwendiger Behandlung durchgeführt werden“, erläutert Oesterreich. Denn so ist die Phobie nicht überwunden – und damit auch nicht das Problem, was sich womöglich dahinter verbirgt.
Ist eine Psychotherapie notwendig?
Letztendlich kann nur ein Psychotherapeut mit dem Patienten den passenden Weg aus der Phobie finden. Betroffene können beispielsweise ein sogenanntes Anti-Angst-Training absolvieren. Dabei werden Patienten von einem Therapeuten behutsam an die Situation beim Zahnarzt herangeführt.
„Beim ersten Zusammentreffen ist es wichtig, mit Informationen und Empathie das oft beim Patienten verloren gegangene Vertrauen gegenüber dem Zahnarzt wiederaufzubauen“, erklärt Jöhren.
Wie sollte der Zahnarzt bei Angstpatienten vorgehen?
Einfühlsam sollte sich der Arzt nach den Wünschen des Patienten erkundigen und diese aufschreiben, damit sie bei der Behandlung nicht in Vergessenheit geraten. „Manchen Patienten hilft es etwa, wenn sie während der Behandlung über Kopfhörer ihre Lieblingsmusik hören oder einfach Entspannungsmusik im Hintergrund“, erklärt Wolf.
Wie können sich zahnmedizinische Behandlung und psychotherapeutische Betreuung ergänzen?
Heutzutage ist aufgrund moderner Verfahren in aller Regel eine schmerzfreie Zahnbehandlung möglich. „Damit die Psychotherapie dauerhaft Erfolg hat, ist entscheidend, dass der Patient bei den zahnärztlichen Behandlungen keine schlechten Erfahrungen macht“, betont Jöhren.
Schon kleinste Verstöße gegen die Abmachungen zwischen Therapeut, Zahnarzt oder Patient können zu erneutem Abwehrverhalten führen, warnt der Oralchirurg. „Das Versprechen der schmerzfreien Behandlung darf keinesfalls gebrochen werden.“