Doch was ist dann mit den Statistiken, nach denen die Operationen an der Wirbelsäule ständig zunehmen? So hat die Bertelsmann Stiftung im Juni Zahlen vorgelegt, nach denen es 2015 rund 611 000 Krankenhausaufenthalte wegen Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens gegeben hat. Das sind 154 000 Fälle mehr als 2007, ein Plus von 34 Prozent. Beim Kongress in Stuttgart wollen sich die Experten auch mit dieser Frage auseinandersetzen. Wobei Christian Knop sicher ist, dass die Gründe für diesen Zuwachs vor allem in der Art der Datenerhebung zu finden sind: „Operationen an der Wirbelsäule sind komplexe Eingriffe“, sagt er. Und diese setzen sich aus einzelnen Prozeduren zusammen, die jede für sich aber nicht als vollwertige OP gezählt werden dürften. Aber genau das sei geschehen.

 

Um verlässliche Zahlen zu gewinnen, versucht die DWG, ein Wirbelsäulenregister zu etablieren. Eine Datenbank, in die eigens von der Fachgesellschaft zertifizierte Krankenhäuser und Ärzte Informationen über Operationen einspeisen – deren Art, Verlauf und die Folgen. Bislang kann dort auf Daten von 38 000 Operationen zugegriffen werden, erstellt von 25 Kliniken, die sich nun „Wirbelsäulenzentrum“ nennen dürfen. Hier sind kurze Wege für den Patienten das Ziel: „Patienten ist es wichtig, dass das, was ihnen hilft, zusammengeführt wird“, so Knop. Und dass dann verschiedene Therapeuten zusammen für den Patienten das beste Konzept entwickeln.

Ein Kästchen sondert Stromimpulse ab

Dazu zählt auch die Neurochirurgie, die Schmerzen mit operativen und minimalinvasiven Eingriffen behandeln kann. In manchen Fällen kann beispielsweise der Schmerzreiz unterbrochen werden – etwa mit der epiduralen Rückenmarkstimulation. So wie im Fall einer Mittvierzigerin, die nach einem Motorradunfall vor 20 Jahren an ständigen und starken Schmerzen gelitten hat – und sich Elektroden auf die Nerven im Wirbelsäulenkanal hat legen lassen. Ein Kästchen, so groß wie eine Streichholzschachtel, sondert Stromimpulse mit einer Frequenz von 10 000 Hertz ab.

Im Klinikum Stuttgart setzt der Neurochirurg Guido Nikkhah dieses Verfahren ein: „Die Stromimpulse sind wie ein Störsender, der in die Schmerzleitung eingebaut wird, sodass diese Signale das Gehirn mit den schmerzverarbeitenden Zentren nicht erreichen.“ Die Verfahren kommen allerdings nur für wenige Schmerzpatienten infrage und auch nur dann, wenn die klassische Kombinationstherapie nicht ausreicht. „Und nicht jedem ist wohl dabei, wenn er zu hören bekommt, dass ihm ein Apparat unter die Haut implantiert wird“, sagt Nikkhah. Auch die Patientin mit dem Motorradunfall war zunächst skeptisch. Jetzt, nach vier Wochen, ist sie begeistert: Sie fühle sich wie neu geboren – so, ganz ohne Schmerz.