Ein Rollator kann beispielsweise nach einer Hüftoperation für eine Übergangszeit helfen. Doch viele benutzen die Gehhilfe falsch und verlernen mit ihr das Laufen. Sogar das Risiko für Stürze kann sich erhöhen.

Stuttgart - Ein Patient, der beim Arzt über Gangunsicherheit klagt, bekommt nicht selten einen Rollator verschrieben. Zur Sicherheit. Außerdem fühlt sich der Patient mit seinem Problem ernst genommen. Und schließlich seien, wie ein Hausarzt unter der Hand sagt, die Rollatoren nicht budgetiert. Im Gegensatz etwa zur Krankengymnastik könne er so viele verschreiben, wie er will. Und so wird großzügig verordnet: Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) nennt einen Zuwachs der jährlich auf Rezept verschriebenen Rollatoren von 38 Prozent in fünf Jahren. Den stärksten Anstieg verzeichnet die Kasse bei den 60- bis 69-Jährigen.

 

Bei vielen ist der Rollator schlicht ein Missverständnis, wenn er lebenslang genutzt wird: „Wenn sich Patienten etwa die Hüfte gebrochen haben, wird das Gangbild durch den Rollator zunächst meist besser“, sagt Ulrich Lindemann, Sportwissenschaftler am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. „Allerdings sollte der Rollator bei den meisten Patienten nur vorübergehend eingesetzt werden. Schließlich sollen sie wieder lernen, ohne Rollator zu laufen.“ Diese Entwöhnung ist aber schwer, oft bleibt der Rollator bis zum Lebensende erhalten. Auch weil es nach kurzer Zeit ohne Rollator schlicht nicht mehr geht. Denn das Gehirn gewöhnt sich an das Gehen mit einer zusätzlichen Stütze, es verlernt das normale Laufen. Die Verletzungsgefahr steigt. „Wer stürzt, kann sich natürlich immer verletzen“, sagt Lindemann. „Aber wer mit Rollator stürzt, verletzt sich meist schwerer, einfach, weil er durch den Rollator am Abfangen gehindert wird oder in den Rollator hineinfällt.“

Es gibt versteckte, aber vermeidbare Sturz-, Schwindel- oder Unsicherheitsursachen: „Häufig hat der Patient Probleme beim Sehen. Oder eine schlecht beleuchtete Wohnung mit Stolperfallen. Oder er nimmt Medikamente ein, die unsicher machen. Oder die Gangunsicherheit wird durch Angst vor Stürzen verstärkt“, sagt Heike Wittenberg, Physiotherapeutin der St. Mauritius Therapieklinik in Meerbusch. „In solchen Fällen löst der Rollator das Problem nicht, sondern verdeckt es nur.“ Statt Rollator wäre ein Gleichgewichtstraining meist besser: Thomas Brandt, Leiter des Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrums in München, empfiehlt bei Gleichgewichtsstörungen ein Training, beim dem die Patienten über die normalen Alltagsleistungen hinaus trainiert werden. Damit soll eine Art Sicherheitspuffer geschaffen werden: „Beim trainierten Patienten sind reflexartige Korrekturen möglich, die aber beim Rollatorgehen verlernt werden“, so Brandt. „Denn nur Herausforderungen verbessern das Gleichgewicht.“

Viele benutzen den Rollator außerdem falsch, auch weil die Armstützen zu niedrig eingestellt sind. Der Nutzer läuft dann vornüber gebeugt, praktisch auf Fußspitzen, der Schwerpunkt liegt zu weit hinten, die Sturzgefahr steigt weiter. Das liegt auch daran, dass den Betroffenen der Rollator nicht erklärt wird. Ellen Freiberger von der Bundesinitiative Sturzprävention warnt: „Sie müssten lernen, wie sie mit dem Ding laufen – stattdessen haben sie Minuten nach den lieblos kurzen Einführungen meist alles vergessen. Und Bücher oder Broschüren über die richtige Benutzung gibt es auch nur wenige.“

Ulrich Lindemann arbeitet bereits am „intelligenten Rollator“, wie er ihn selbst nennt. „Wir wollen, dass der Rollator auch am Hang nicht zum Risiko wird: Er soll beim Bergaufgehen mit einem Elektromotor beschleunigen – und beim Bergabgehen automatisch bremsen“, so Lindemann. Für Ellen Freiberger ist der Rollator eigentlich praktisch, dessen ständige Nutzung aber ein Problem: „Ältere Menschen haben oft nicht mehr die Kraft, Einkaufstüten zu schleppen oder auch nur längere Strecken zu gehen – dafür sind Rollatoren sinnvoll. Aber bitte nur für diese Strecken.“