Wer außerhab der Sprechstunde zum Arzt muss, geht zum Notfalldienst. Der wird jetzt neu organisiert, um junge Mediziner zu gewinnen.

Stuttgart - Zu wenige junge Mediziner wollen sich mit einer eigenen Praxis als Hausarzt niederlassen - besonders wenig beliebt sind ländliche Gegenden. Schon länger brütet die Politik darüber, wie man einem drohenden Ärztemangel begegnen kann. Vor wenigen Wochen etwa hat der Bundestag ein Landarztprogramm beschlossen. Auf einem ganz anderen Feld ist die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) tätig geworden - mit dem gleichen Ziel: Sie organisiert den ärztlichen Bereitschaftsdienst neu. Am Ende sollen die Mediziner entlastet werden und geregeltere Arbeitszeiten haben. Das soll ihnen die Entscheidung für eine eigene Praxis leichter machen. Betroffen sein werden aber auch die Patienten.

 

Der ärztliche Bereitschaftsdienst gehört zum Sicherstellungsauftrag der KVBW. Sie muss gewährleisten, dass im Land genug niedergelassene Ärzte ihrer Tätigkeit nachgehen. Das betrifft auch die Zeit außerhalb der regulären Sprechstunden. Braucht ein Patient sonntags oder nachts ärztliche Hilfe, muss er sie bekommen. Das leistet der ärztliche Bereitschaftsdienst. Im Jahr 2010 gab es landesweit mehr als zwei Millionen solcher Fälle zu betreuen.

Patienten können wechselnde Anlaufstationen haben

Die Notfallbereitschaft ist dabei in kunterbunter Vielfalt organisiert. In Baden-Württemberg existieren 498 Dienstbezirke. Besonders in Nordwürttemberg ist die kleinräumige Lösung weit verbreitet. In kleinen Dienstbezirken kommen die Ärzte natürlich öfter dran.

Der Dienst wird auch unterschiedlich praktiziert. Mal wartet der Arzt auf Notfälle in seiner Praxis; die Patienten haben somit jeweils wechselnde Anlaufstationen. Mal unterhält die KV eine eigene Einrichtung, in der die Mediziner im Wechsel Dienst tun. Woanders werden zentrale Notfallpraxen von Ärzteorganisationen oder an Krankenhäusern eingerichtet. Daneben unterhalten auch Kliniken eine ambulante Notfallversorgung.

Wie macht man es den jungen Ärzten schmackhaft?

Dieses Dickicht zu durchforsten hat sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVBW, Johannes Fechner, zur Aufgabe gemacht. Eines seines Motive: die Belastung durch den Notfalldienst sei ein Schlüsselfaktor und spiele eine große Rolle bei der Entscheidung eines angehenden Arztes für oder gegen einen Standort. "Die Niederlassung ist für junge Ärzte nur dann attraktiv, wenn der Notfalldienst gut organisiert ist", sagt Fechner. Eine möglichst geringe und gleichmäßige Dienstbelastung für alle Mediziner steht im Mittelpunkt seiner Reform des Notfalldienstes.

Konkret bedeutet das, dass die Zahl der Dienstbezirke "deutlich verringert" werden soll. Die Zielgröße liegt bei etwa 150. Bezirke sollen zusammengelegt werden. Für nicht wenige Patienten bedeutet das weitere Wege. Die KV sieht hier aber kaum Konfliktpotenzial. Die Hilfesuchenden müssten schon jetzt das Auto benutzen. Eine kurze Mehrstrecke sei zu verkraften, heißt es. Patienten, die nicht selbst mobil sind, sollen wie bisher auch künftig zu Hause aufgesucht werden. Somit haben auch Ärzte im Fahrdienst längere Wege.

Bereitschaftsdienst soll zentralisiert werden

Wo immer möglich, soll der ärztliche Bereitschaftsdienst künftig in einer zentralen Notfallpraxis an einem Krankenhaus untergebracht werden. Das hätte für die Patienten den Vorteil, dass sie nicht lange suchen müssten, wer wo Bereitschaft hat. Sie können einfach die Notfallpraxis ansteuern. Wird in ihrem Fall eine stationäre Einweisung nötig oder die Diagnose mit einer Apparatur, die nur ein Krankenhaus vorhält, entstünden für die Kranken keine zusätzlichen Wege, so die Kassenärzte. Die KV betreibt das Konzept zentraler Notfallversorgung schon seit einiger Zeit. Im Land gibt es derzeit 69 Notfallpraxen. 44 davon sind an Kliniken angedockt. Dort werden etwa 40 Prozent der Notfälle versorgt.

"Sowohl im Hinblick auf die Ärzte als auch auf die Patienten sind die Erfahrungen mit den Notfallpraxen positiv", sagt der Ärztefunktionär Fechner. "Die Kliniken übernehmen in Zeiten schwacher Inanspruchnahme - in der Regel nach 22 Uhr - die ambulanten Patienten, das bringt eine weitere Entlastung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte."

Größere Bezirke bringen auch eine bessere Auslastung des Bereitschaftsdienstes mit Patienten. Die Ressourcen werden stärker ausgelastet. Die Arbeit lohnt sich damit auch finanziell mehr. So ließen sich auch vergleichbare Dienstbedingungen zwischen den Ärzten auf dem Land und in der Stadt schaffen. Bis Mitte des Jahres sollen die Dienstbezirke neu zugeschnitten werden. Bis Ende 2012 soll die Reform stehen.

Vergütung soll steigen

Ärzteschaft: Im Land haben sich rund 21.000 Ärzte und Psychotherapeuten mit ihrer Praxis niedergelassen. Knapp 8000 sind Hausärzte; 8600 sind Fachärzte; die meisten von ihnen sind Frauenärzte (1360), Internisten (1050) sowie Kinder- und Jugendärzte (860).

Vergütung: Auch die Vergütung des Notfalldienstes soll verbessert werden. Nach der Gebietsreform ist ein „Notfalldienst-Soli“ geplant – eine Mischung aus Präsenzpauschale, Umsatzgarantie und Honorar für erbrachte Notfalldienstleistungen. So soll ein Ausgleich zwischen den verschieden großen Dienstbelastungen und Umsätzen geschaffen werden.