Als Gesundheitsminister ist Manfred Lucha (Grüne) eigentlich auch für den Schutz der Bürger vor Feinstaub zuständig. Doch das heikle Thema fasst er nur zögernd an – der Verkehrsminister hat den Vortritt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als Sozialminister ist Manfred „Manne“ Lucha (Grüne) in der Landesregierung auch für Gesundheit zuständig. „Als oberste Gesundheitsbehörde“, so steht es auf der Homepage seines Hauses, „fördert und schützt das Sozialministerium die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg“. Dazu untersteht dem Ressort etwa das Landesgesundheitsamt als „fachliche Leitstelle für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“. Doch zu einem der derzeit meistdiskutierten und politisch brisantesten Gesundheitsthemen findet sich im ministeriellen Internetauftritt nichts. Wer dort als Suchbegriff „Feinstaub“ eingibt, bekommt als Antwort nur: „keine Ergebnisse gefunden“.

 

Duckt sich Lucha bei dem heiklen Thema etwa weg? Diesen Eindruck bekamen auch drei Verbände aus der Region Stuttgart – das Klima- und Umweltbündnis, der Verkehrsclub Deutschland und die Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm -, als sie sich unlängst in Sachen Feinstaub an den Minister wandten. Zu allen erdenklichen Themen – vom Aidstag bis zur Zeckenimpfung – gebe es Verlautbarungen seines Ressorts, nicht aber zu den hohen Feinstaubwerten, die laut Umweltbundesamt jährlich zu etwa 47 000 vorzeitigen Todesfällen führten. Dabei gehöre zu seinen Aufgaben doch die „gesundheitsbezogene Prävention“ und der „umweltbezogene Gesundheitsschutz“. Man wüsste daher gerne, wie der Grüne das Problem beurteile und was er dagegen tue, schrieben die Verbandsvertreter.

Ans Verkehrsministerium verwiesen

Als Reaktion bekamen sie eine kurze Mail vom Leiter des Ministerbüros: „Wir haben Ihr Anliegen zuständigkeitshalber an das Verkehrsministerium abgegeben.“ Sind Winfried Hermann und sein Ressort also neuerdings die Spezialisten für chronische Bronchitis, Asthma oder gar Lungenkrebs? Nicht doch, entgegnet eine Sprecherin Luchas auf Anfrage unserer Zeitung, durch den kurzen Zwischenbescheid sei wohl „ein falscher Eindruck entstanden“. Keineswegs äußere sich das Verkehrsministerium neuerdings „kraft eigener Zuständigkeit auch zu Gesundheitsfragen“. Aber da es in der Landesregierung „für die Feinstaubthematik in Gänze zuständig“ sei, habe man das Verbandsschreiben zunächst zur Abstimmung dorthin weitergeleitet.

Hier geht es zu unserem Feinstaub-Dossier.

Nach diesen Wirren hat Lucha nun tatsächlich Position bezogen, in einem von Hermann und ihm unterzeichneten Schreiben. Darin bekennt er sich allgemein zur Verpflichtung, im Interesse des Gesundheitsschutzes „stets alle möglichen und gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, um Schadstoffbelastungen gleich welcher Art zu reduzieren“. Darauf könnten sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. Zu den Gefahren, die vom Feinstaub ausgehen, äußern sich die beiden Grünen indes nur vorsichtig. Epidemiologische Studien ließen zwar einen „grundsätzlichen Zusammenhang“ zwischen der Luftbelastung und dem Auftreten von konkreten Krankheitsbildern erkennen. Der wissenschaftliche Nachweis dafür mit Blick auf Atmungs-, Herz- oder Kreislauferkrankungen stehe aber noch aus – zumal sich sowohl Art als auch Partikelgröße von Feinstaub stark unterschieden.

Risiken für Geschädigte, Senioren und Kinder

Auch in Stuttgart lasse sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen lokalen Feinstaubwerten und vermehrten Erkrankungen „noch nicht belegen“. Gleichwohl sehen die Minister „im Einzelfall besondere Gesundheitsrisiken“ für Menschen mit geschädigtem Herz-Lungen-System, Senioren und auch Kinder. Spezielle Verhaltenstipps für sie gebe es zwar nicht, aber bei erhöhten Werten solle „von unnötigen Aktivitäten und Anstrengungen im Freien Abstand genommen werden“. Ratsam sei etwa, „Wegstrecken mit dem öffentlichen Personennahverkehr zurückzulegen“.

Sodann verweisen Lucha und Hermann auf das jüngst vom Kabinett beschlossene „umfangreiche Maßnahmenbündel“, darunter die umstrittenen Fahrverbote für Diesel. Nachdem Appelle nicht genug gefruchtet hätten, sehe man keine andere Möglichkeit, um die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid in Stuttgart schnellstmöglich einzuhalten. Für Komfortkamine als zweitgrößte Feinstaubquelle gelte bereits seit Anfang Februar ein Betriebsverbot an Alarmtagen.

Mit Antwort nur teilweise zufrieden

Mit der Antwort der beiden Minister ist Christoph Link vom VCD nur teilweise zufrieden. Positiv sei, dass sich nun auch Lucha zu seiner Verantwortung bekenne und erstmals Gesundheitsrisiken für besondere Personengruppen benannt würden. Die Frage nach der Zahl der durch Feinstaub ausgelösten Erkrankungen bleibe indes unbeantwortet, die Wirksamkeit der Maßnahmen fraglich. Zweifel hat Link auch an der Beteuerung, das Land unternehme „alle gebotenen Anstrengungen“ zum Schutz der Bürger: Nach jahrelanger Überschreitung der Grenzwerte sei das „nicht sehr glaubhaft“.