Mit Krankheiten gehen Frauen und Männer völlig anders um, heißt es im aktuellen Gesundheitsreport 2016 der Krankenkasse DAK. Experten sagen, wer bei Krankmeldungen eher schummelt und wer lieber krank zur Arbeit geht, als seinen Kollegen hängen zu lasen.

StuttgartMänner sind das starke Geschlecht – so heißt es oft. Sie gehen weniger zum Arzt. Doch wenn sie mal krank sind, dann fühlen sie sich kränker, als sie es vielleicht tatsächlich sind. Frauen mit ihrem ausgeprägten Gesundheitsbewusstsein dagegen lassen sich lieber einmal zu viel als zu wenig untersuchen. Wenn es um geschlechtsspezifische Unterschiede in Sachen Gesundheit geht, kursieren oft Vorurteile. Ob diese wirklich zutreffen, der Frage hat die Krankenversicherung DAK ihren aktuellen Gesundheitsreport 2016 unterstellt, den sie am vergangenen Dienstag in Stuttgart vorgestellt hat. Zusammen mit dem Berliner Forschungs- und Beratungsinstitut Iges hat sie die Fehlzeiten aller erwerbstätigen Versicherten von Baden-Württemberg ausgewertet und bundesweit mehr als 5000 Beschäftigte im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Dabei kam heraus: „Der viel zitierte kleine Unterschied in Dauer und Art der Krankheit bei Frauen und Männern ist größer als gedacht“, sagt Markus Saur, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg.

 

These 1: Frauen sind häufiger krank

Frauen in Baden-Württemberg fehlen in der Tat häufiger als Männer wegen Krankheit bei der Arbeit. So war die Hälfte aller Befragten im Jahr 2015 mindestens einmal krankgeschrieben. Das ergibt einen neun Prozent höheren Krankenstand gegenüber den Männern. „Von 1000 erwerbstätigen Frauen fehlten 2015 im Durchschnitt pro Tag 36 bei der Arbeit“, sagt der Projektleiter Jörg Marschall vom Iges-Institut. Bei den Männern wiederum waren es nur 33 von 1000. Lediglich zu Zeiten der Ausbildung zeigen sich Männer deutlich risikobereiter – und sind damit krankheitsgefährdeter als Frauen. Und auch im Alter dreht sich der Geschlechterunterschied zu Gunsten der Frauen: Denn mit 60 Plus leidet das Herz-Kreislauf-System der Männer stärker, weshalb auch sie dann häufiger krankgeschrieben sind.

Insgesamt zeigen sich die Frauen und Männer im Südwesten aber von ihrer kerngesunden Seite: Zwar erreichte der Krankenstand im Südwesten mir 3,5 Prozent den höchsten Wert seit 16 Jahren. Zum Vergleich: Während im Jahr 2000 von 1000 berufstätigen Versicherten im Schnitt 32 pro Tag fehlten und im Jahr 2006 sogar nur 26, konnten 2015 pro Tag 35 Beschäftigte wegen Krankheit nicht zur Arbeit gehen – meist wegen Erkältungen und Rückenleiden. „Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Berufstätigen in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern einen deutlich unterdurchschnittliche Krankenstand hat“, sagt Marschall. Mithalten können da nur noch die Arbeitnehmer in Hamburg und Bayern. Anders sieht es da beispielsweise im Osten Deutschlands aus: In Brandenburg liegt der Krankenstand derzeit bei 5,2 Prozent.

These 2: Frauen und Männer fehlen wegen denselben Krankheiten

Zugegeben: Wenn die Grippe grassiert, macht sie zwischen Männer und Frauen keinen Unterschied. Und 2015 gab es tatsächlich überdurchschnittlich viele Ausfälle wegen Erkrankungen des Atmungssystems, wie Jörg Marschall von Iges betont. „Es gab 30 Prozent mehr Fehltage als noch im Jahr 2014.“ Was aber vermutlich nicht daran liegt, dass die Arbeitnehmer im Südwesten anfälliger geworden wären: „Vielmehr ist der Grund, dass die Grippewelle im vergangenen Jahr wohl besonders gewütet hat.“ Grundsätzlich gibt es aber sehr wohl Unterschiede zwischen Erkrankungen von Frauen und Männern: So leiden Männer in Baden-Württemberg häufiger als Frauen unter Herz-Kreislauf-Problemen und haben damit auch 86 Prozent mehr Fehltage. Zudem verletzen sie sich häufiger, weshalb sie aus diesem Grund knapp die Hälfte mehr Fehltage vorweisen als Frauen. Und sie sind häufiger von psychischen Störungen aufgrund einer Alkoholsuchterkrankung betroffen. „Frauen fehlen hingegen öfter wegen allgemeinen psychischen Erkrankungen (53 Prozent mehr Fehltage) wie Depressionen und haben fast doppelt so viele Fehltage wegen eines Krebsleidens (93 Prozent).

These 3: Männer gehen auch krank zur Arbeit

Der Mann ist hart im Nehmen? Tatsächlich besuchen berufstätige Männer im Südwesten im Durchschnitt nur vier Mal pro Jahr einen Arzt. Ihre Kolleginnen sind dagegen fast sieben Mal pro Jahr in ärztlicher Behandlung. „Krank sind beide Geschlechter aber in etwa gleich oft“, sagt der DAK-Landeschef Saur. Daraus aber den Umkehrschluss zu ziehen, dass Männer deswegen häufiger auch sich krank zur Arbeit schleppen, wäre aber falsch: Denn obwohl Frauen den höheren Krankenstand haben, arbeiten sie trotzdem. 64 Prozent der Frauen in Baden-Württemberg waren 2015 mindestens einmal krank bei de Arbeit, bei den Männern nur 56 Prozent. Übrigens hauptsächlich, weil sie die Kollegen nicht hängen lassen wollen, wie 84 Prozent der Befragten angaben. Aber auch weil sie ihre Arbeit fertigstellen müssten. Das sagten 75 Prozent der Befragten.

These 4: Frauen melden sich krank, obwohl sie gar nicht krank sind

Tatsächlich stimmt diese These in einigen Fällen durchaus. Allerdings nicht um krankzufeiern, wie Jörg Marschall vom Iges-Institut betont: So wurde bei der Studie festgestellt, dass viele Frauen sich krank melden, wenn ihr eigenes Kind krank ist. Jede fünfte Frau in Baden-Württemberg sagte, dass sie manchmal so vorgehen müsse, weil sie sich nicht anders zu helfen wisse. Bei den Männern sagen das nur 11,8 Prozent. Demnach tragen Frauen noch immer einen größeren Anteil an der Betreuung kranker Kinder als Männer, so der DAK-Landeschef Saur.

These 5: Männer leben ungesünder

Kaum ist der Mann 50 Jahre alt, macht ihm das Herz zu schaffen: „Herzinfarkt, Herzschwäche, Rhythmusstörungen und Herzklappenprobleme – all das beginnt bei den meisten Männern im Alter von 30 bis 40 Jahren und das Erkrankungsrisiko steigt bis zum 65. Lebensjahr rasant an“, sagt der Stuttgarter Kardiologe Udo Sechtem, der im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung sitzt. Über alle Altersgrenzen hinweg zeigt die Statistik: Männer bekommen doppelt so häufig einen Herzinfarkt wie Frauen. Das kann teils genetisch bedingt sein. Eine viel größerer Rolle spielt dabei aber der persönliche Lebensstil: Oft müssen sie in Stressphasen mehr leisten, als sie gewohnt werden ihre Besitzer rauchen mehr, haben häufiger Bluthochdruck als Frauen und sind öfter übergewichtig. Mann könnte also durchaus mehr tun für seine Gesundheit, so Udo Sechtem. Regelmäßiger Sport ist die beste Medizin, um Gefäßschäden zu verhindern. Auch hoher Bluthochdruck lässt sich durch Ausdauertraining und einer ausgewogenen Ernährung senken. „Viele Herzerkrankungen können vermieden werden, wenn die Betroffenen ihren Lebensstil ändern würden.“