Besteht an Schulstandorten, die an belasteteten Hauptstraßen liegen, eine Gesundheitsgefahr für Kinder? Diese Sorge treibt eine Elterninitiative im Stuttgarter Süden um.

Stuttgart - In Zeiten anstehender Fahrverbote für Dieselautos fühlen sich auch Familien mit kleinen Kindern verunsichert durch mögliche Gesundheitsgefahren, die von der Belastung durch Schadstoffe und Lärm ausgehen. Besonders alarmiert zeigt sich nun eine Elterninitiative im Stuttgarter Süden. Anlass sei der Rat eines Arztes gewesen, ein Kind mit Atemwegsproblemen nicht an der künftigen Grundschule Süd anzumelden, die vom kommenden Schuljahr an die Grundschüler der Heusteig- und der Römerschule am Standort Römerschule aufnimmt. Der Grund: die Römerschule liege direkt an der B 14 – der hoch belasteten Hauptstätter Straße.

 

„Jetzt sind die Werte überall gestiegen – deshalb muss man die Standortentscheidung noch mal überdenken“, hatte Nina Ertner, die Sprecherin der „Initiative Gesunde Grundschule Süd“, gefordert. Hintergrund ist, dass lange über den zukünftigen Standort der fusionierten Grundschule gestritten wurde, der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats sich im vergangenen Sommer jedoch für die Römerschule entschieden hatte – gegen das Votum des Bezirksbeirats Süd.

Nina Ertner, die Mutter eines drei- und eines sechsjährigen Buben ist, hat auch durch eigene Recherchen herausgefunden, dass die Stickoxid- und Feinstoffwerte an der Hauptstätter Straße „mehr als besorgniserregend“ seien. Zudem warne die Deutsche Umwelthilfe vor hohen Stickoxidbelastungen, die durch die Belüftungsanlage in die Klassenzimmer gelangen.

Die Stickoxid-Belastung auf dem Schulhof reicht an den Grenzwert heran

Die Stadt verweist auf Langzeitmessungen durch die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW). Die Messungen bezögen sich allerdings nur auf die Hauptstätter Straße, die Umweltsituation auf dem Schulhof der Römerschule sei durch eine Modellsimulation rechnerisch ermittelt worden, räumt Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart, gegenüber dieser Zeitung ein. Demnach reicht laut Stadt die Stickoxid-Belastung auf dem Schulhof der Römerschule im Jahresmittel mit 36 bis 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an den Grenzwert von 40 Mikrogramm heran. Die Feinstaubbelastung (PM10) liege dort im Jahresmittel mit 21 bis 27 Mikrogramm sogar unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm, so Matis. An wie vielen Tagen jedoch der Feinstaub die Grenze von 50 Mikrogramm überschritten habe, sagt er nicht. Doch die Elterninitiative verweist darauf, dass gerade im Blick auf die geschwächten Kinder nicht die Werte im Jahresmittel entscheidend seien, sondern die Spitzenwerte.

Die Lärmbelastung auf dem Schulhof der Römerschule beträgt laut Stadt 65 Dezibel – und liegt damit über dem Grenzwert. Dieser beträgt für Krankenhäuser, Schulen, Kur- und Altenheime tagsüber 57, nachts 47 Dezibel. Matis führt ins Feld: „Die Schule ist innen absolut ruhig.“

In einem Schreiben, das auch an Stadt- und Bezirksbeiräte sowie die Verwaltung ging, verlangte die Elterninitiative nun eine Neubewertung der Situation und forderte „repräsentative Messungen von Stickoxid und Feinstaub an beiden Standorten“ – also Römer- und Heusteigschule. „Es soll untersucht werden, wie hoch die Gesundheitsgefährdung für die Kinder durch Luftschadstoffe und Lärmbelastung dort ist“, heißt es in dem Schreiben.

„Die Frage ist, ob der Standort Römerschule für Kinder gesundheitsgefährdend ist“, sagt Nina Ertner – „man verbringt beim rhythmisierten Ganztag den Schultag ja anders“. Und nicht nur im Klassenzimmer. Es sei „grob fahrlässig“, dass die Lärmbelastung bei der Standortentscheidung offenbar keine Rolle gespielt habe, argumentiert die Initiative im Blick auf die leisere Heusteigschule.

Bürgermeisterin Fezer verteidigt die Standortentscheidung

Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) verteidigt die Standortentscheidung: „Die Römerschule ist ein guter Standort für die Grundschule Süd im City-Bereich“, sagte sie dieser Zeitung. Die Gesundheit aller Kinder an Stuttgarter Schulen habe „hohe Priorität“. Daher seien auch bei den Überlegungen zum Standort der Grundschule Süd „die verschiedenen Umweltaspekte betrachtet und bei der Entscheidung berücksichtigt“ worden.

Am Donnerstag traf sich die Bürgermeisterin mit Vertretern der Elterninitiative und städtischen Ämtern. Es sei „ein sehr gutes, konstruktives Gespräch“ gewesen, so Fezer. Es werde aber keine weiteren Messungen im Schulhof geben. „Wir können den Schulhof nicht leiser machen“, sagte Fezer. Aber man habe sich auf zwei zusätzliche Maßnahmen geeinigt: „Ich werde die Stickoxid-Konzentration in den Räumen untersuchen lassen, um Eltern die Sicherheit zu geben, dass alles in Ordnung ist.“ Und: „Ich werde die Lüftungsanlage mit neuen F7-Feinstaubfiltern ausrüsten lassen“, kündigte Fezer an. „Dann haben wir den gleichen Standard wie beim Königin-Katharina-Stift“. Das Gymnasium liegt ebenfalls an der B 14 und ist derzeit von der Stuttgart-21-Baustelle eingekesselt. Eine Aussage zur Gesundheitsgefährdung von Asthma-Kindern macht die Stadt nicht. „Das wäre dann ein allgemeines Problem mit dem Stuttgarter Kessel“, so Fezer.

Elterninitiative: „Wir hatten das Gefühl, dass wir ernst genommen werden“

Auch Jens Tesmann von der Elterninitiative im Süden zeigt sich nach dem Gespräch mit der Bürgermeisterin zufrieden: „Wir hatten das Gefühl, dass wir ernst genommen werden“, sagt der Vater von zwei sechs- und achtjährigen Kindern. „Und wir sind bereit, uns auf diesen Vorschlag einzulassen.“ Noch mehr Vertrauen könne die Stadt vermitteln, wenn es zudem noch Außenmessungen gäbe und die Daten der Messstation Cottastraße im Internet abrufbar wären, ergänzt Tesmann.

Beim Staatlichen Schulamt sind bisher weder Beschwerden noch Versetzungswünsche von Lehrern wegen möglicher Schadstoffbelastungen eingegangen – weder von der Römerschule noch von anderen Schulen – „definitiv nicht“, sagt Manfred Rittershofer. Von der Römerschule war keine Stellungnahme zu erhalten.