Erneut wird die Tötung eines Schwarzen durch staatliche Ordnungshüter nicht juristisch geahndet. Der zwölfjährige Tamir Rice hatte mit einer Spielzeugpistole hantiert, bevor er erschossen wurde.

New York - Die Proteste in Cleveland waren ruhig und gedämpft am Montagabend, nachdem wieder einmal Polizisten in Amerika nicht dafür belangt wurden, einen schwarzen Jugendlichen nieder geschossen zu haben. Ein paar Dutzend Menschen standen mit gesenkten Häuptern an dem Spielplatz, an dem der erst 12 Jahre alte Tamir Rice vor mehr als einem Jahr von zwei Kugeln nieder gestreckt worden war, weil er mit einer Spielzeugpistole hantierte. Nichts war von dem Zorn zu spüren, der noch die Proteste in Ferguson, Baltimore oder New York gegen Polizeigewalt an Afro-Amerikanern angetrieben hatte. Vielmehr scheint sich so etwas wie Resignation breit zu machen.

 

13 Monate lang hatte in Cleveland die Grand Jury beraten, ob sie gegen die beiden Beamten Frank Garmback und Timothy Loehmann Anklage erhebt. Das Ergebnis war, wie schon im Fall von Michael Brown in Ferguson und Eric Garner in New York, negativ. Die Polizisten haben keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten.

Das Feuer wurde sofort eröffnet

Der ermittelnde Staatsanwalt Timothy Mc Ginty nannte in einer Pressekonferenz den Tod von Tamir Rice, „ein tragisches Zusammenspiel von Missverständnissen und menschlichem Versagen.“ Eine Straftat sei jedoch nicht begangen worden, die beiden Polizisten hätten Grund zu der Annahme gehabt, dass sie bedroht worden seien.

Angesichts der Fakten des Falles fällt es jedoch vielen schwer, das so hin zu nehmen. So schrieb die schwarze Entertainerin Akilah Hughes auf Twitter: „Ein zwölf Jahre alter Junge ist erschossen worden, der eine Spielzeug-Pistole bei sich hatte und kein Gesetz gebrochen hat. Warum interessiert das niemanden?“ Die Mutter von Tamir Rice konnte unter Tränen nur stottern, dass sie hoffe, „dass die Öffentlichkeit weiter Fragen stellt“ .

Die offenen Fragen im Fall Rice liegen schon lange auf dem Tisch. Der Tod von Tamir wurde mit einem Smartphone-Video fest gehalten. Darauf ist zu erkennen, dass die Polizisten an dem Spielplatz vorfahren, auf dem Tamir Rice mit seiner Spielzeugpistole sitzt, aus dem Dienstfahrzeug aussteigen und sofort Feuer auf den Jungen eröffnen. Zeit, die Situation zu erfassen und über ein angemessenes Vorgehen zu befinden, blieb nicht.

Gezielter Missbrauch des Gerichtsverfahrens?

Noch mehr als die Vorgänge an jenem Tag gab jedoch das Verfahren, das zum Freispruch führte, Grund zu Bedenken. So sagten die Anwälte der Familie Rice, Staatsanwalt McGinty habe „systematisch das Grand-Jury-Verfahren manipuliert und missbraucht, um einen Freispruch zu erzielen.“ Es dauerte ein Jahr, bis die Grand Jury darüber befand, ob die Indizien zur Anklage reichen. Meist braucht eine Grand Jury nur Stunden oder höchstens Tage, um eine Anklage zu erheben. Doch Staatsanwalt McGinty beauftragte Experten, um das Video zu untersuchen und zu belegen, dass die Beamten in gutem Glauben handelten. Vor allem weigerte er sich jedoch, einen Sonderermittler einzusetzen. Dieser Fall, so die Rechtsexpertin des TV Senders CNN, habe jedoch geradezu danach geschrien, einen neutralen Ermittler von Außen zu beauftragen, der keine Bindungen an die Polizei von Cleveland hat.

Weitaus gravierender noch, als die unmittelbaren juristischen Konsequenzen sind freilich die politischen Folgen des Urteils von Cleveland. Einmal mehr bestätigt sich die Wahrnehmung, dass schwarze Leben in den USA nichts wert sind.