Aggressive Patienten und Besucher werden für die Krankenhäuser immer mehr zum Problem. Die Häuser rüsten auf – und denken darüber nach, den Publikumsverkehr drastisch einzuschränken.

Stuttgart - Weil die Gewalt gegen Pflegekräfte und Ärzte zunimmt, setzen Baden-Württembergs Krankenhäuser verstärkt auf Sicherheitsdienste. 19 der 31 größten Kliniken im Land beschäftigen inzwischen interne oder externe Sicherheitskräfte, wie eine landesweite Umfrage unserer Zeitung ergab. Zudem werden Mitarbeiter von besonders betroffenen Abteilungen wie den Notaufnahmen in Deeskalationstechniken, Gewaltprävention und Selbstverteidigung geschult.

 

Lesen Sie hier: Was der Klinikchef des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart über die Gewalt in den Kliniken erzählt.

„Viele Patienten sind nicht mehr bereit zu warten. Sie bestehen auf sofortiger Behandlung. Dem Mitmenschen wird nicht zugestanden, dass er vielleicht dringlicher erkrankt ist. Das schlägt dann in Aggression um“, sagte Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart, unserer Zeitung. „Die Notaufnahme ist häufig total überlaufen, das ist ein Riesenproblem für uns und sorgt für Spannungen“, erklärte Klaus Tischler, Pflegedirektor der Uniklinik Tübingen.

Publikum könnte mittelfristig ausgesperrt werden

Laut Klinikchef Alscher handelt es sich um ein zunehmendes Problem. Er fürchtet, dass Krankenhäuser mittelfristig den Publikumsverkehr drastisch einschränken müssen, weil die Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten sonst nicht mehr zu gewährleisten sei.

Klinikmitarbeiter berichten von verbalen und körperlichen Übergriffen sowie Sachbeschädigungen. In manchen Häusern müsse trotz des Einsatzes von Sicherheitsleuten täglich die Polizei gerufen werden. Die Angreifer kämen aus allen sozialen Schichten, darunter Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund sowie Ausländer.

Häufig führten kulturelle Differenzen und Sprachprobleme zu Konflikten. So täten sich arabische Männer oft schwer, mit Ärztinnen zu kooperieren und beispielsweise ihre Frauen bei der Untersuchung allein zu lassen. Auch Männer aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion verhielten sich häufig problematisch.

Mitarbeiter werden zum Parkhaus begleitet

Die Kliniken setzen die Sicherheitsdienste vorzugsweise in den Abend- und Nachtstunden ein, wie unsere Umfrage zeigt. Bewacht werden in erster Linie die Eingangsbereiche sowie die Notaufnahmen inklusive Wartezonen. Je nach Örtlichkeit kontrollieren die Sicherheitsleute auch in Parkhäusern und begleiten Klinikmitarbeiter auf Wunsch dorthin. Dies wird etwa von Mitarbeitern genutzt, die im Dienst von Besuchern bedroht wurden.

„Ich beobachte die Zunahme von Verrohung sowie verbaler und körperlicher Gewalt in vielen gesellschaftlichen Bereichen mit großer Sorge“, sagte Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) unserer Zeitung. Es bedürfe „mehr denn je einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, den respektvollen Umgang ohne verbale Entgleisungen und körperliche Gewalt überall – auch in Krankenhäusern und bei Hilfsdiensten – sicher zu stellen“.