Gewalt in der Region Stuttgart Fragwürdige Rolle des LKA beim Friedhofsanschlag

Wir tun was: Polizei-Schwerpunktaktion in der Stuttgarter Innenstadt am 19. März. Foto: 7aktuell.de//Nils Reeh

Alles im Griff, alles koordiniert: So stellt das Landeskriminalamt die Polizeiarbeit bei dem Handgranatenanschlag am 9. Juni in Altbach dar. Doch es gibt offenbar einige Ungereimtheiten.

Hat das Landeskriminalamt (LKA) die Lage um die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region Stuttgart und die Brisanz der Trauerfeier auf dem Friedhof in Altbach (Kreis Esslingen) am 9. Juni womöglich falsch eingeschätzt und sich zu früh zurückgezogen? Nach Recherchen unserer Zeitung soll die Behörde die im Februar begonnene Koordinierung der Ermittlungen um die Schüsse und Angriffe rund um Stuttgart im Mai eingestellt haben. Demnach war jedes betroffene Polizeipräsidium selbst wieder mit der Ermittlungsarbeit seiner Fälle betraut.

 

So war die Frage einer Observation der Beisetzung eines 20-Jährigen, zu dem auch Trauergäste aus Kreisen von rivalisierenden Gruppierungen erwartet wurden, Sache des Polizeipräsidiums Stuttgart. Wie Präsident Markus Eisenbraun am Mittwoch am Rande der Sondersitzung des Innenausschusses des Landtags mitteilte, hatte es Hinweise gegeben, dass in den nächsten Tagen womöglich Straftaten in Stuttgart aus dem Umfeld dieses Personenkreises geplant sein könnten.

In anderen Fällen wäre auch die Bereitschaftspolizei gekommen

Das LKA ist die zentrale Polizeidienststelle in Baden-Württemberg, in der aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten ermittelt wird oder Ermittlungen koordiniert werden können. Im Februar hatte die Behörde eine sogenannte Ermittlungskooperation gegründet, um die Erkenntnisse der betroffenen Präsidien Stuttgart, Reutlingen und Ulm zusammenzuführen. „Die Präsidien tauschen sich täglich institutionalisiert aus, sind in Fallkonferenzen in permanenter Abstimmung und führen zudem gemeinsam koordinierte präventive Kontrollmaßnahmen durch“, erklärte LKA-Präsident Andreas Stenger am Mittwoch nach der Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses.

Doch während die Stuttgarter Polizei die mögliche Brisanz der Trauerfeier durch den Teilnehmerkreis erkannte, schätzte man nach Recherchen unserer Zeitung diese im LKA offenbar vollkommen anders ein. Eine Koordination von Einsatzmaßnahmen durch das LKA fand demnach nicht statt. Denkbar wäre beispielsweise gewesen, die Trauerfeier – wie in Berlin oder Nordrhein-Westfalen bei vergleichbaren Fällen üblich – von Einheiten der Bereitschaftspolizei sichern, Fahrzeuge und Personen kontrollieren zu lassen. Eine Maßnahme, die vor allem dann angezeigt ist, wenn – wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) betont – derart viele Waffen und in diesem Fall sogar Kriegswaffen eine Rolle spielen, wie es sich für die Ermittler seit Wochen darstellt.

Wenn Ermittler koordinieren oder kooperieren

Während Stenger nach Informationen unserer Zeitung im Landtagsgebäude hinter verschlossenen Türen mitteilte, dass die Koordinierung der Ermittlungen im Mai eingestellt worden sei, ehe am 9. Juni der Fall Altbach übernommen wurde, dementierte das LKA, sich aus der Verantwortung genommen zu haben: „Die Kooperation besteht seit Ende Februar und wurde nie unterbrochen“, so Sprecher David Fritsch. „An nahezu allen Wochenenden im April, Mai und Juni wurden präventivpolizeiliche Maßnahmen parallel zu den Ermittlungen durchgeführt.“ Das LKA habe eher mehr als weniger an sich gezogen.

Dabei ist eine Ermittlungskooperation zum Austausch von Erkenntnissen der Polizeipräsidien nicht der einzige Weg in solchen Verfahren. In Polizeikreisen ist jedenfalls zu hören, dass eine Gemeinsame Ermittlungsgruppe unter Federführung des LKA eine konsequentere Lösung im Kampf gegen solche bewaffneten und höchst gewaltbereiten Gruppierungen gewesen wäre.

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