Den Behörden werden vermehrt Gewaltübergriffe an Kitas gemeldet. Wie können sich Eltern vergewissern, dass ihr Kind gut aufgehoben ist? Und woran erkennen Eltern, dass etwas nicht stimmt? Experten geben Antworten.

Wie erkennen Eltern, dass ihr Kind in der Kita mit körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt konfrontiert ist? Und wie geht man mit solch einer Situation um? Experten geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

 

Wo beginnt Gewalt?

Spätestens seit den 90er Jahren hat sich in Deutschland die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schläge und das Androhen von Gewalt keine geeignete Erziehungsmethode sind. Wer Kindern zur Züchtigung einen Klaps verpasst, kann seit dem Jahr 2000 wergen Körperverletzung belangt werden. Zwar kommt es trotzdem immer noch vor, dass der „Klaps auf den Hintern“ oder die „Backpfeife“ verharmlost werden. Im Allgemeinen hat jedoch die Akzeptanz von körperlicher Gewalt stark nachgelassen, während für andere Formen der Gewalt das Problembewusstsein nach wie vor oft weniger stark ausgeprägt ist.

„Insbesondere die Ausübung seelischer und emotionaler Gewalt wird stark unterschätzt,“ sagt Martina Huxoll-von-Ahn, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB). Es komme beispielsweise immer wieder vor, dass Kinder gezwungen würden, den Teller leer zu essen oder am Tisch sitzen zu bleiben. „Auch wer ein Kind anbrüllt oder vor den anderen Kindern bloßstellt, übt Gewalt aus.“

Knut Vollmer, der beim Caritas Verband in Stuttgart für die Fachberatung für Katholische Kindertagesstätten zuständig ist, räumt ein, dass die Ausübung seelischer Gewalt in der Ausbildung von Fachkräften lange nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. „Es gibt viele Formen subtiler Gewaltausübung, die den Fachkräften nicht immer bewusst ist. Wenn Kinder zum Schlafen gezwungen werden oder zur Strafe puzzeln sollen, ist das Gewalt.“

Einer Mitteilung des Kommunalverbandes Jugend und Soziales (KVJS) zufolge betreffen die meisten Meldungen von Gewaltvorfällen an Kitas Übergriffe durch Erzieherinnen und Erzieher. Doch kommt es auch immer wieder vor, dass sich die Kinder untereinander seelisch oder körperlich verletzen. Während das Kind in der Kita ist, haben die Erzieher als Aufsichtspersonen die Pflicht sicherzustellen, dass es nicht durch andere Kinder Gewalt angetan bekommt.

Wie finden Eltern heraus, ob die Kita verantwortungsvoll mit dem Thema Gewalt umgeht?

Jede Kita sollte über ein Konzept verfügen, in dem aufgeführt ist, wie die Kinder vor Gewalt in der Einrichtung geschützt werden und welche Maßnahmen einzuleiten sind, wenn es zu Übergriffen kommt. Martina Huxoll-von-Ahn rät Eltern zu überprüfen, ob diese Konzepte auch tatsächlich angewandt und gelebt werden oder ob sie nur auf dem Papier existieren.

„Es ist Aufgabe der Einrichtungen und der Erzieherinnen und Erzieher, die Kinder aufzuklären und mit ihnen über das Thema Gewalt zu sprechen,“ so Huxoll-von-Ahn. Es sei ein gutes Zeichen, wenn in der Kita Plakate zu dem Thema hingen oder sich die Einrichtung bei Elternabenden oder Informationsveranstaltungen zu Gewaltprävention äußere. „Ist das nicht der Fall, sollten Eltern die Erzieherinnen und Erzieher aktiv ansprechen und sich nach den Kinderschutzkonzepten erkundigen.“

Wie stellen Eltern sicher, dass ihr Kind in der Kita keine sexuelle Gewalt erleidet?

„Eltern sollten sich bei der Auswahl der Kita erkundigen, wie die Einrichtungen mit Nacktheit umgehen,“ sagt Huxoll-von-Ahn. Sie rät Eltern, sich zu erkundigen, ob die Einrichtung über ein pädagogisches Konzept verfüge, wie die kindliche Sexualität begleitet werden sollte. „Sogenannte Doktorspiele gehören zur kindlichen Entwicklung dazu. Kinder sollten ein positives Verhältnis zum Körper entwickeln können. Deshalb ist es zum Beispiel wichtig, Genitalien richtig zu bezeichnen. Allerdings darf kein Kind unter Druck gesetzt werden. Es müssen Regeln und Grenzen definiert werden, wenn Kinder im Sommer nackt spielen. “

Woran erkennen Eltern, dass in der Kita etwas nicht stimmt?

„Eltern sollten die Erzählungen ihrer Kinder ernst nehmen. Darüber hinaus sollten sie darauf achten, ob das Kind gerne in die Kita geht.“ sagt Knut Vollmer. Er rät Eltern, nachzuhaken, wenn das Kind über einen längeren Zeitraum hinweg bedrückt oder niedergeschlagen wirke.

Die Verbände der Kita-Fachkräfte nennen insbesondere die Überforderung von Erzieherinnen und Erziehern durch zu wenige Fachkräfte als Ursache für Gewaltausübung an Kitas. „Der Mangel an qualifiziertem Personal ist ein Problem,“ bestätigt Vollmer.

Es sei wichtig, sich regelmäßig mit den Erziehern und den anderen Eltern auszutauschen. Zudem solle man auf das eigene Bauchgefühl hören. „Ein Alarmsignal ist, wenn eine Einrichtung versucht, die Eltern draußen zu halten. Mangelnde Transparenz ist ein Anzeichen dafür, dass es Probleme gibt.“

Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Kind in der Kita körperliche oder seelische Gewalt erlitten hat?

„Die Situation vor Ort ist oft komplex. Den Fachkräften ist nicht immer bewusst, dass sie eine Grenze überschritten haben,“ sagt Vollmer. Er rät den Eltern, Ruhe zu bewahren und das Gespräch mit den Erzieherinnen und Erziehern und der Kitaleitung zu suchen. Komme man hier nicht weiter, könne man sich an den Träger der Einrichtung wenden. Zeige sich auch der Träger unkooperativ, könnten Eltern bei den Landesjugendämtern Beschwerde einlegen, die in letzter Instanz für den Schutz der Kinder in den Kindertagesstätten verantwortlich sind.

Infos

Gesetzeslage
Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) hat das Kind „ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.“ Das bedeutet, dass sowohl Schläge als auch Beschimpfungen, Bloßstellung und andere Formen der Erniedrigung und Entwürdigen gesetzlich verboten sind.

Meldezahlen
Wie der Kommunalverband Jugend und Soziales (KVSJ) mitteilt, ist die Zahl der Meldungen aus den derzeit etwa 9600 Kitas im Land insgesamt von 2020 auf 2021 um 20 Prozent von 275 auf 330 gestiegen. Die Meldezahlen für die vergangenen Jahre liegen zwar noch nicht vor, doch die Behörde geht von einem weiteren Anstieg der Zahlen aus.

Beratung
Das Stuttgarter Kinderschutz-Zentrum und die Fachberatungsstelle KOBRA unterstützten Kinder, Eltern und Bezugspersonen, wenn Kinder Gewalt erfahren haben.