Venezuelas Regime hält sich, weil das Volk der Opposition nicht vertraut. Doch der Weg in die Dikatur wird die Spirale der Gewalt noch intensivieren. Ein Kommentar von Klaus Ehringfeld.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Mexiko-Stadt - Seit mehr als zwei Jahren zerstört Venezuela sich selbst – anfangs schleichend, jetzt rasant. Die Wirtschaft ist am Ende, weite Teile der Bevölkerung leiden Hunger, die Menschen schwanken zwischen Wut und Verzweiflung. Nach innen zerfällt das Land, nach außen isoliert es sich. Mittlerweile ist der Fall Venezuela keine nationale Angelegenheit mehr. Es ist ein internationaler Krisenherd entstanden, der die Stabilität der Nachbarländer in Gefahr bringt. Mehrere Zehntausend Menschen verlassen derzeit jeden Tag Venezuela und suchen woanders in Lateinamerika Zuflucht, Essen und Medikamente.

 

Derweil beweist das Regime Maduro unglaublichen Zynismus und Zähigkeit. Es verschärft die Repression und negiert jegliche Krise. Jede Regierung in Lateinamerika wäre mit dieser Taktik, bedrängt von den monatelangen Straßenprotesten, gestürzt oder hätte sich zu Verhandlungen bereit erklärt – aber nicht die linksautoritäre Regierung in Caracas. Venezuela war eine Demokratie. Nun wandelt es sich rasend schnell zu einem autoritären Regime nach dem Vorbild Russlands und der Türkei. Das südamerikanische Land ist noch keine klassische lateinamerikanische Diktatur wie Chile und Argentinien in den 70er Jahren. Aber ähnlich wie seine Vorbilder lässt jetzt auch Nicolás Maduro demokratische Rechte mit Füßen treten und nutzt die Repression als Herrschaftsinstrument.

Die Opposition radikalisiert sich

Die im Bündnis MUD zusammengefassten Gegner haben noch keine Strategie gegen Maduros Vorgehen – und je größer die Hoffnungs- und Ratlosigkeit, desto größer auch die Gefahr von noch mehr Gewalt. Auch in der Opposition mehren sich die Stimmen, die Feuer und Flamme als Lösung betrachten. Junge autonome Gruppen radikalisieren sich. Und im Militär rumort es immer stärker, wie der Überfall auf eine Kaserne am Wochenende gezeigt hat.

Also muss die internationale Gemeinschaft entschieden ihre Stimme erheben, so wie sie es jetzt endlich getan hat. Und es müssen da Sanktionen gegen Venezuela verhängt werden, wo es dem Land wehtut: beim Öl. Noch immer spült der Ölverkauf alleine an die USA jeden Tag 30 Millionen Dollar in die Kassen des Regimes. Erst wenn niemand mehr Maduros Rohstoffe kauft und der Regierung das Geld ausgeht, ist sie vielleicht zu Zugeständnissen bereit, denn dann wäre nichts mehr zu verteilen an diejenigen, die jetzt von dem autoritären Staat profitieren und ihn daher stützen. Doch Lateinamerika ist uneins, die USA zögern mit harten Schritten und noch wichtiger: Russland und China stützen Maduro. So droht ihm von außen kaum Gefahr.

Hass auf die zynische Elite

Dass sich der ehemalige Busfahrer im Präsidentenamt halten kann, hat auch mit mangelnden politischen Alternativen zu tun. Die Mehrheit der Venezolaner traut dem zerstrittenen Oppositionsbündnis MUD genauso wenig wie dem Regierungschef. Das Ringen gegen eine glaubwürdige Opposition hätte der Staatschef schon längst verloren. Aber viele ihre Meinungsführer gehören zu der zynischen Elite, die sich nie um die Belange der Armen gekümmert hat und die die Wahl von Hugo Chávez im Jahre 1998 erst möglich machte. Daran erinnern sich viele Venezolaner. 40 Prozent der Bevölkerung ist weder die eine noch die andere Seite sympathisch.

Was es braucht in dem karibischen Chaos- und Krisenstaat ist ein neues selbstkritisches Projekt, das gemäßigte Opposition und gemäßigte Chavisten vereint, ein dritter Weg, der das Gute des einst inklusiven linken Projekts bewahrt, aber die Gesetze des Marktes mit sozialer Verantwortung zurückbringt. Doch das scheint nicht in Sicht. Also wird Maduro den Staat weiter auf sich zuschneiden und sein autoritäres Projekt vorantreiben, bis es auch dem größten Anhänger der Regierung zu bunt wird oder bis das Militär dem Präsidenten auf dem Weg zur Diktatur einen Riegel vorschiebt.