Dass der Korntal-Münchinger Gemeinderat sich noch nicht festlegen will, wie es auf dem Areal im Süden Korntals weitergeht, hat nun Konsequenzen. Der Investor nimmt das Schicksal des Gebiets selbst in die Hand.

Der Gemeinderat vertagt gern mal Entscheidungen zu großen Bauprojekten. Etwa als es um eine neue Multifunktionshalle beim Schulcampus im Stadtteil Münchingen ging oder zuletzt, als sich die Stadtverwaltung grünes Licht erhoffte, um Angebote von Planungsbüros einzuholen, um ein städtebauliches Konzept für den südwestlichen Teilbereich des geplanten regionalen Gewerbeschwerpunktes erstellen zu lassen. Gravierende Folgen gab es in beiden Fällen nicht.

 

Anders sieht es beim Greutter-Aichelin-Areal aus: Hier rächt es sich, dass der Rat das Stadtentwicklungskonzept abwarten will, ehe er entscheidet, wie es mit dem Gebiet im Stadtteil Korntal weitergeht. Denn offenbar will sich der Investor nicht länger hinhalten lassen – und macht selbst Nägel mit Köpfen. Dem Immobilienentwickler Vermehrt aus Wien gehört mittlerweile der Großteil einer gut 3,4 Hektar großen Fläche im Süden Korntals, zwischen der Bahntrasse im Norden und der Lembergstraße im Süden.

Gewerbe hat laut Bericht mehr Nachteile als Wohnbau

Nach Informationen unserer Zeitung nimmt das Wohnungsbauunternehmen Abstand vom Plan, auf der teils brachliegenden, untergenutzten Fläche 500 Wohnungen für mehr als 1000 Menschen zu bauen, Kleingewerbe inklusive. Stattdessen will es jetzt Gewerbe im großen Stil ansiedeln. Das würde der Stadt erhebliche Nachteile bringen, wie der Bericht des Büros Wüstenrot Haus- und Städtebau über die Entwicklungsperspektiven des Areals zeigt.

Offiziell nennt keiner das Kind beim Namen. Und Wilfried Viernstein, der bei Vermehrt das Projekt betreut, ist urlaubsbedingt nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Doch Fakt ist: Die CDU-Fraktion beantragte in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag, die Stadtverwaltung möge „im Rahmen eines Rechtsgutachtens die Risiken einer Änderung der bestehenden Bebauungsplanung darstellen sowie die Erfordernis einer Altlastenbeseitigung im Falle einer Neubebauung prüfen“. Weiter steht in dem Antrag, „die von einem Investor dort angestrebte gewerbliche Gebietsentwicklung lässt auch zukünftig eine Mindernutzung des wertvollen Gewerbeareals erwarten“. Man wolle eine „städtebauliche Fehlentwicklung“ verhindern. Der Antrag ging ohne Diskussion und einstimmig durch.

Stadt hat sich Rechtsbeistand geholt

Vor der Abstimmung hatte der Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) informiert, der Stadt liege eine Bauvoranfrage vor. Wer bauen möchte, erfährt so, ob ein Vorhaben grundsätzlich möglich ist. Nun muss die Stadtverwaltung binnen Wochen bis weniger Monate eine Entscheidung treffen. „Wir haben uns Rechtsbeistand geholt“, sagt der Rathauschef. Die Stadt will wissen, welche Möglichkeit der Steuerung sie tatsächlich hat.

Joachim Wolf hatte schon in der Vergangenheit mehrfach betont, die Stadt habe bei einer Gewerbeentwicklung kaum Einfluss darauf, wie das Gelände gestaltet wird oder welche Unternehmen sich ansiedeln. Die Fläche hat aktuell den Status einer gewerblichen Baufläche. Es existiert bereits ein Bebauungsplan, der bestimmt, was zulässig ist und was nicht. Aus Sicht der Stadt muss ein Gewerbegebiet nachhaltig sein, ökologisch und einträgliche Gewerbesteuereinnahmen abwerfen. Davon kann in Korntal allem Anschein nach aktuell nicht die Rede sein.

FDP fordert vom Gemeinderat mehr Mut

Andrea Küchle (FDP) findet deutliche Worte. „Die Vertagung von Entscheidungen durch den Gemeinderat und unzureichende Informationen waren aus jetziger Sicht nicht hilfreich – nun ist die weitere Entwicklung im Aichelin-Gelände wieder ungewiss“, sagt die Stadträtin in ihrer Rede zum Haushalt und kritisiert: Insgesamt vertage das Gremium zu viele Entscheidungen. „Wir müssen hier mutiger sein und die Chancen sehen und nicht alles zu 100 Prozent wasserdicht haben wollen.“ Der Gemeinderat hat am Donnerstag den Haushalt verabschiedet.

Im vergangenen Juni hatte der Investor Vermehrt der Bevölkerung sein Bebauungskonzept vorgestellt. Nach der Sommerpause sollten die Gemeinderäte eine Entscheidung treffen: Wohnen? Oder doch Gewerbe? Doch sie hatten zu viele Bedenken, zu viele Fragen. Bauchweh bereiten ihnen vor allem die Verdichtung als auch deren Folgen. Und die Räte monierten fehlende Informationen im Bericht des Büros Wüstenrot. Sie einigten sich darauf, erst mal zu klären, wie viele Einwohner die Stadt verträgt, welche Bauprojekte umgesetzt werden sollen. Und erteilten dem Vorschlag der Stadtverwaltung eine Absage. Die wollte ein Bebauungsplanverfahren für Wohn- und Gewerbenutzungen auf dem Areal vorbereiten.

Wohnbebauung mit größtem Nutzen

Wüstenrot kommt zu dem Schluss, dass Wohnbebauung der Stadt den größten Nutzen bei gleichzeitiger Akzeptanz durch die Bevölkerung und geringerem Investitionsbedarf im Vergleich zu Gewerbe bringt. Dies würde zu mehr Verkehr und Lärm führen – vor allem durch Lastwagen – als ein Wohngebiet. Die Verkehrsplaner von Modus Consult empfehlen bei Gewerbenutzung zum Beispiel, die Unterführung an der Kreuzung Zuffenhauser Straße zu erhöhen und mehr Spuren einzurichten. Auf den Kosten würde die Stadt sitzenbleiben, hatte Wolf gewarnt.