Rund 75 Hektar neue Flächen für Unternehmen will die Region ausweisen. Der Suchlauf findet in den betroffenen Orten viel politische Zustimmung – stößt aber auch auf heftige Kritik an Stellen, wo sie nicht erwartet wurde.

Landkreis Ludwigsburg - Alternativlose Ausweisung von Gewerbeflächen? Oder schwere Verletzung der Wachstumsgrenzen im Ballungsraum Stuttgart? Mit seiner Suche nach neuen, großen Gewerbegebieten entlang der A 81 ruft der Verband Region Stuttgart ein zwiespältiges Echo hervor. Sehr deutlich wurde das jüngst im Gemeinderat von Bietigheim-Bissingen. Das ansonsten von Konsens geprägte Gremium lieferte sich einen heftigen Schlagabtausch.

 

Freie Wähler und SPD bringen ungewohnte Argument vor

Bemerkenswert: Viele Gegenargumente, die sonst von Öko-Fundis vorgebracht werden, kamen aus den Reihen von Freien Wählern oder der SPD. Es drohe der Verlust von 25 Fußballfeldern fruchtbarer Ackerböden, warnte der FW-Fraktionschef Steffen Merkle: „Wir dürfen der Landwirtschaft nicht die Lebensgrundlage entziehen.“ Dass der Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD) heftig für ein Ja geworben hatte – mit Blick auf die Gewerbesteuern –, missfiel Attila Tür (Grüne) stark. „Hören Sie auf mit dieser Blut- und Tränen-Argumentation. Andere Kommunen prüfen und lehnen ab – wir sagen blindlings Ja.“

Erstaunlich knapp war dann die Abstimmung: zwölf Räte votierten gegen die beiden Areale bei Ingersheim und Bissingen, 16 stimmten dafür. Mehrere Befürworter hatten zuvor betont, dass die Stadt jetzt mit ihrer Zustimmung noch keine Fakten schaffe. „Wenn wir jetzt Ja sagen, wird erst mal kein einziger Quadratmeter Fläche versiegelt“, sagte etwa Hans Leopold Schlobach (SPD). Dieses Argument will der Chefplaner der Region, Thomas Kiwitt, nur bedingt stehen lassen. Theoretisch könnten Kommunen auch jetzt noch aussteigen, aber: „Sobald die Flächen im Regionalplan stehen, werden wir auf einen verbindlichen Zeitrahmen hinarbeiten." Schließlich habe die Regionalversammlung, die nach der Sommerpause über die Sache beraten will, kein Interesse daran, „einen Plan zu beschließen, bei dem die betroffenen Kommunen schon wieder nicht mitmachen“. An diesen Standorten prüft der Verband Region Stuttgart derzeit, ob Gewerbegebiete entwickelt werden können.

Hintergrund der Suche – und der Vorsicht des Chefplaners – ist das im Regionalplan ausgewiesene Gewerbegebiet Pleidelsheim-Murr. Dort hatte die Region einen rund 75 Hektar großen Gewerbeschwerpunkt geplant. Allein: das Gebiet wurde nie realisiert, weil der Pleidelsheimer Gemeinderat es mehrheitlich ablehnte. Jetzt sucht die Region nach Flächen, die statt dessen den Bedarf der Wirtschaft decken können – insbesondere im Nordwesten der Region.

Entscheidungen für Gewerbeflächen fallen oft knapp aus

In der Regionalversammlung findet das Ansinnen breite Unterstützung. CDU, Freie Wähler, FDP und SPD stehen hinter der Idee, nur die Grünen votierten bisher dagegen. Es gebe genügend Flächenreserven, die Region dürfe nicht unnötig Ackerböden versiegeln, hatten sie Ende 2013 argumentiert. Ähnliche Positionen vertreten der BUND-Kreisverband und einige Bürgerinitiativen, am stärksten im Bottwartal.

Dabei sehen gerade hier die Bürgermeister den größten Bedarf. Mit dem Gebiet am Holzweilerhof soll das jahrelange Darben der Orte Großbottwar und Oberstenfeld ein Ende haben. „Wir haben seit 13 Jahren keinen gültigen, neuen Flächennutzungsplan, weil wir immer auf ein Phantom verwiesen wurden“, sagt der Großbottwarer Bürgermeister Ralf Zimmermann. Die Folge: seine Stadt konnte sich 13 Jahre lang nicht planerisch entwickeln – auch bei Neubaugebieten –, weil die Region mit Verweis auf Potenziale in Pleidelsheim die städtischen Pläne blockierte.

„Großbottwar und Oberstenfeld sind ein Sonderthema, das sehe ich ein“, sagt der regionale Chefplaner Thomas Kiwitt. Bezüglich der Flächen für eigenes Gewerbe im Holzweilerhof sehe er „deshalb die Region in der Pflicht, Lösungen anzubieten“.

Bislang haben alle direkt betroffenen Kommunen für die neuen Gebiete gestimmt – wenn auch teils knapp, wie in Bietigheim-Bissingen oder Großbottwar. Ingersheim soll diese Zustimmung, so wünscht es sich der Bürgermeister Volker Godel (FDP), morgen nachholen. Die äußeren Bedingungen könnten indes einfacher sein. Die Nachbarn Pleidelsheim und Freiberg, die selbst nicht direkt betroffen sind, haben bereits gegen das neue Gebiet votiert. Das ärgert Godel dann doch. „Wir haben neun Hektar Gewerbefläche“, sagt er, „Freiberg hat 62 Hektar und Pleidelsheim 30 Hektar. Aber im Unterschied zu unserem Gewerbe scheinen die Unternehmen dort wohl keinen Verkehr zu produzieren.“