Der anonyme Großinvestor für den Gewerbepark Eichwald ist abgesprungen. Dennoch hält der Zweckverband ohne Abstriche an seinen enormen Erweiterungsplänen fest – obwohl die Kritik daran sich offenbar häuft.

Sachsenheim - Der Auszug aus dem Garten Eden ist für Karl Willig ein schleichender, aber scheinbar unaufhaltsamer Prozess. „Eigentlich lebe ich hier fast wie im Paradies“, sagt der Landwirt und stellvertretende Bürgermeister von Sachsenheim, „außer, dass mir gerade massiv viel Fläche entzogen wird.“ Karl Willig bewirtschaftet Äcker, die für die Süderweiterung des Gewerbegebiets Eichwald genutzt werden sollen. Die Pläne wurden im Eiltempo ausgearbeitet, angeblich, weil sich ein Großinvestor dort ansiedeln wollte.

 

Inzwischen hat sich dieser Investor laut dem Sachsenheimer Bürgermeister und Vorsitzenden des Zweckverbands Eichwald, Host Fiedler, zurückgezogen. Der Flächenhunger des Verbands, dem neben Sachsenheim noch die Städte Bietigheim-Bissingen, Oberriexingen und die Gemeinde Sersheim angehören, ist aber unverändert groß. Bis zu 30 Hektar Erweiterungsfläche sieht ein Bebauungsplan vor. „Wir halten an diesen Plänen fest“, sagt Fiedler.

Unvermindert großer Widerstand

Dabei scheint es dagegen unvermindert großen Widerstand zu geben. Einerseits von Landwirten, die sich laut Karl Willig reihenweise in ihrer Existenz bedroht sehen. „Die Lage der Landwirte ist der Stadt anscheinend völlig egal“, wettert Willig. Er war es, der im Sachsenheimer Gemeinderat durchsetzte, dass die Ackerflächen nicht wie im ersten, nördlichen Abschnitt von der Stadtverwaltung quasi ersatzlos verplant werden. Stattdessen wurde ein Beirat gegründet, der die Interessen von Landwirten, Zweckverband und den Fachbehörden möglichst unter einen Hut bringen soll. Karl Willig hat aber inzwischen den Eindruck, dass der Beirat eher als Alibiveranstaltung umgesetzt werde – jedenfalls sei von Ersatzflächen und Gesprächen kaum mehr etwas zu hören.

Ein Kritiker der Sachsenheimer Erweiterungspläne sitzt auch im Landratsamt Ludwigsburg – und zwar ganz oben. Wiederholt hat der Landrat Rainer Haas den Zweckverband darauf hingewiesen, dass die alte Landebahn des ehemaligen Militärgeländes für die Erweiterung des Gewerbegebiets tabu sei. Nach Ansicht seiner Fachleute im Bereich Naturschutz habe sich auf dem Gelände, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs unberührt geblieben sei, eine reichhaltige Flora und Fauna gebildet. So sei die Landebahn Heimat von Feldlerchen, Feldhasen oder Rebhühnern.

Kein Grund für abgespeckte Pläne

Doch die Spitze des Zweckverbands sieht trotz allem keinen Grund, ihre ursprünglichen Pläne abzuspecken. Er habe von der Verbandsversammlung „den klaren Auftrag bekommen, dort Flächen zu entwickeln“, sagt der Bürgermeister und Zweckverbandsvorsitzende Horst Fiedler. Nun herrsche lediglich weniger Zeitdruck, weil der Großinvestor abgesprungen sei. „Aber schon morgen könnte der nächste Interessent vor der Tür stehen, da wollen wir gewappnet sein.“

Die Schar der Kritiker an der Geheimniskrämerei des Zweckverbands ist auch im Nachbarort Sersheim zahlreich. Dort hatten Gemeinderäte beim Landratsamt Beschwerde eingereicht und gefordert, den Investor zu benennen – ohne Erfolg. Doch diese Debatten seien nicht der Grund für dessen Rückzug, beteuert Fiedler. Den von Kritikern geäußerten Vorwurf, dass es den mysteriösen Großinvestor gar nicht gegeben habe, weist er zurück.

Auslegungsfrist endet

Die Einwände des Landratsamts beäugt Fiedler durchaus kritisch. „Wir haben dazu ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben.“ Der Landrat kündigt im Gegenzug schon mal an, dass seine Behörde „keinen Jota von der ursprünglichen Stellungnahme abweichen“ werde. Eine detaillierte Prüfung habe klipp und klar ergeben, dass eine vom Verband gewünschte Verlegung der Landebahn nicht machbar sei.

Die Auslegungsfrist für die Erweiterungspläne endet am kommenden Freitag. Bis dahin können sich alle Betroffenen zu dem Vorhaben äußern. Der Zweckverband muss sich wohl auf zahlreiche Widersprüche gefasst machen. Der Landwirt und ehrenamtliche Stellvertreter Fiedlers, Karl Willig, will seine Anliegen jedenfalls vorbringen. Wenn die Kritik weiter ignoriert werde, „dann werde ich kämpfen – notfalls auch mit einem Anwalt“.

Kommentar: Wirtschaft gegen Landwirtschaft?

Eichwald - Der Wirtschaftsfaktor Boden ist knapp – erst recht in der dicht besiedelten Region Stuttgart. Vor diesem Hintergrund ist der Konflikt zwischen dem Zweckverband Eichwald einerseits sowie Landwirten und dem Naturschutz andererseits geradezu exemplarisch für diesen Verteilungskampf der immer knapper werdenden Flächen. Dabei ist den Verbandskommunen zweifellos anzurechnen, dass der Gewerbepark Eichwald vom Verband Region Stuttgart explizit als Logistikschwerpunkt ausgewiesen wurde. Damit sind diese Flächen also von den Fachplanern bewusst für Neuansiedelungen ausgewählt worden, um andernorts die Landschaft zu schützen.

Allein darin liegt für die Sachsenheimer Landwirte schon Konfliktpotenzial. Doch als wäre das nicht genug, tut der Zweckverband wenig, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Der Beirat, der diesen Spagat jetzt leisten soll, kam jedenfalls nicht auf Betreiben der Verwaltungen zu Stande. Und der Verband wird jetzt noch beweisen müssen, dass es ihm ernst ist mit der offenen Kommunikation. Bislang ist davon wenig zu spüren. Es wäre dem Zweckverband ein Leichtes gewesen, eine Bürgerinformation in der Gemeindehalle zu veranstalten und sich dort mit den eigenen, durchaus ausufernden Plänen einer offenen Debatte zu stellen. Die Sitzung der Verbandsversammlung war zwar öffentlich. Für den Normalbürger sind solche Veranstaltungen aber ziemlich unattraktiv – zumal mit Informationen auch dort meist spärlich umgegangen wird.

Ein Hauch von Starrsinn

Der Zielkonflikt zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft hätte sich entschärfen lassen – mit leicht abgespeckten Expansionsplänen. Zumal es wenig realistisch erscheint, dass ein Investor auf einen Schlag 30 Hektar für sich beansprucht.

Ein gewisser Starrsinn ist auch in der Haltung der Verbandsspitze beim Thema Naturschutz zu erkennen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Einschätzung des Landratsamts Ludwigsburg zur ökologischen Qualität der alten Landebahn in Frage zu stellen. Dass die vier Kommunen dazu ein eigenes Gutachten in Auftrag geben und gar die Verlegung der Landebahn als Option prüfen ließen, zeugt von einem überzogenen Selbstbewusstsein. Interessenausgleich sieht anders aus.