Auch über das Jahr 2020 hinaus soll das Areal an der Siemensstraße kulturell genutzt werden dürfen.

Stuttgart-Feuerbach - Es war ein wahrer Kraftakt, den Halil Selvi und Sevil Özlük in den vergangenen sieben Jahren zu bewältigen hatten. Aus dem ehemaligen Werk 8 des Automobilzulieferers Behr sollte das aufstrebende Kreativzentrum IW8 werden. Die Hallen, in denen bis Ende 2010 Öl- und Großkühler hergestellt wurden, mussten aber zunächst einmal auf Vordermann gebracht werden. Vor allem die Auflagen im Bereich Brandschutz zu erfüllen, war sehr zeit- und kostenintensiv.

 

Mittlerweile haben Selvi als Eigentümer des rund 13 500 Quadratmeter großen Areals an der Siemensstraße sowie die Projektentwicklerin Özlük eine lange Liste an Erfolgen vorzuweisen: 40 Mieter, fast alle Räume sind belegt und es gibt wenig Fluktuation. Zudem sind zwei der drei Veranstaltungshallen fertig. Dort gibt es Platz für maximal 600 beziehungsweise 1000 Besucher. Konzerte, Theateraufführungen, Comedy, Ausstellungen und Firmen-Veranstaltungen von Daimler, Porsche oder Mahle haben dort schon stattgefunden. „Der Bedarf ist riesig“, sagt Sevil Özlük, die am Dienstag im Bezirksbeirat zu Gast war. Für sie und Halil Selvi habe sich der steinige Weg gelohnt – nicht unbedingt finanziell, aber „zu sehen, was hier in den vergangenen Jahren entstanden ist, macht uns schon ein wenig stolz“, sagt Özlük auf Nachfrage unserer Zeitung.

Die Mischung stimme. 20 Prozent der Fläche benötige das IW8 für administrative Zwecke selbst. 40 Prozent seien von Kulturschaffenden, Kreativen und Gründern gemietet. Und die anderen 40 Prozent der Fläche werden industriell genutzt – wie zum Beispiel von der offenen Werkstatt Hobbyhimmel, Startup-Unternehmen, die Rollatoren oder Prothesen herstellen. Auch Schneider und Schreiner sind vor Ort. „Wir haben auch Musikgruppen eine Heimat gegeben“, sagte Özlük. „Gerade, nachdem in Weilimdorf Rooms4Music schließen musste, wurden überall neue Proberäume gesucht.“

Auch über eine dauerhafte Regelung wird nachgedacht

Die Bezirksbeiräte waren vom Vortrag von Sevil Özlük sehr angetan. Jochen Heidenwag (Freie Wähler): „Ich bin baff, was auf dem Areal alles passiert. Hut ab!“ Doch noch ist nicht sicher, wie es 2021 weitergeht. Ende dieses Jahres läuft die Ausnahmegenehmigung aus, die es den Machern des IW8 erlaubt, die Hallen für sogenannte „kulturelle Zwecke“ zu nutzen. „Die Kreativität und die kulturelle Nutzung sind das Herzstück dieses Areals und unseres Konzepts. Damit steht und fällt das ganze Projekt“, sagte Özlük. Sehr gerne würden sie und Selvi den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen.

Die Unterstützung des Bezirksbeirats hat das IW8 auf jeden Fall. Mit großer Mehrheit beschlossen die Lokalpolitiker schon Ende vergangenen Jahres, dass „die weitere Nutzung des IW8 als Areal für kreative Startup-Unternehmen und damit die Verlängerung der Miet- und Pachtverträge“ ermöglicht wird – für weitere fünf Jahre. „Jetzt die Nutzung nicht zu verlängern, wäre wider besseren Wissens“, sagte Roland Saur („Die Fraktion“) damals. Und auch die Gemeinderatsfraktion von Bündnis90/Die Grünen hat nun reagiert. „Das Kreativzentrum hatte zwar einen schweren Start. Heute läuft das IW8 aber gut“, heißt es in einem Antrag. „Das Areal entwickelt sich zunehmend mehr in Richtung Kreativ- und Startup-Zentrum mit Labs und Hubs, die Repairwerkstatt will expandieren. Für die Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden wird es aber zunehmend zum Problem, dass alle Verträge befristet sind, deswegen sollte möglichst bald Planungssicherheit geschaffen werden.“ Zudem beantragen die Grünen, dass die Ausnahmegenehmigung um weitere fünf Jahre verlängert wird und im zweiten Halbjahr 2022 dann darüber nachgedacht werden soll, ob eine kulturelle Nutzung des Areals dauerhaft ermöglicht werden kann.

Der Gemeinderat wird seine Entscheidung auch davon abhängig machen, ob es Firmen gibt, die große Produktionsflächen wie das IW8 suchen. Die Leiterin der Wirtschaftsförderung Ines Aufrecht sagt auf Nachfrage, dass der Bedarf an Produktionsflächen in den vergangenen fünf Jahren etwa gleich geblieben sei. Das Gebiet Feuerbach-Ost entwickele sich sehr gut. Aufrecht ist froh, dass auch Unternehmen aus dem Kreativwirtschaftsbereich den Standort Feuerbach „mit bereichern und zur Diversifizierung der Stuttgarter Branchenzusammensetzung beitragen“.