Mit Streiks wollen Eisenbahner-Gewerkschaften die Reformpläne der französischen Regierung aus dem Gleis werfen. Für den Präsidenten Emmanuel Macron könnte es das härteste innenpolitische Kräftemessen seit seinem Amtsantritt werden.

Paris - Die Gewerkschaft SUD Rail, die dem zur Reform der Staatsbahn SNCF entschlossenen Präsidenten Emmanuel Macron den Krieg erklärt hat, kann zufrieden sein. Die Eisenbahner haben zum Auftakt einen Sieg erzielt. Bereits am Vorabend des offiziell an diesem Dienstag beginnenden, auf drei Monate veranschlagten Kräftemessens sind 77 Prozent der Beschäftigten in den Ausstand getreten. Seit Jahren hat es eine so hohe Arbeitskampfbeteiligung bei der SNCF nicht mehr gegeben. Im Großraum Paris rollten am Montagabend nur noch acht Prozent der Züge. Im Regionalverkehr sah es landesweit nicht besser aus. Auch Verbindungen nach Deutschland und Großbritannien waren beeinträchtigt. Bis Donnerstagmorgen soll das so bleiben. Nach drei Arbeitstagen ist dann am Sonntag der nächste zweitägige Ausstand geplant. Drei Monate lang wird das nach dem Willen der vier großen Eisenbahner-Gewerkschaften so weitergehen, bis zum 28. Juni sollen jeweils auf zwei Streik- drei Arbeitstage folgen. Dass bei der Fluggesellschaft Air France am Dienstag ebenfalls die Arbeit ruht, setzt Macron und die Regierung zusätzlich unter Druck. Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal fordern einvernehmlich sechs Prozent mehr Lohn. Am Freitag soll weitergestreikt werden. Die linksradikale Gewerkschaft CGT prophezeit Macron einen sich zum Flächenbrand ausweitenden Vielfrontenkrieg.

 

Vergeblich haben Macron und seine Verkehrsministerin Elisabeth Borne versucht, die Eisenbahner mit Zugeständnissen versöhnlich zu stimmen, die Streikbereitschaft auszuhöhlen. Gewiss, am Kern der Reform soll es keine Abstriche geben: Wer bei der SNCF neu anheuert, wird auf im Eisenbahner-Statut fixierte Privilegien verzichten müssen. Arbeitsplatzgarantie, 50 Urlaubstage oder den Renteneintritt ab 51 Jahren soll es für neue Mitarbeiter nicht mehr geben. Und auch von der durch die Vorgängerregierung beschlossenen, mit der EU abgestimmten Öffnung des französischen Schienennetzes zugunsten privater Konkurrenten will der Staatschef nicht abrücken. Mit einem Schuldenberg von 45 Milliarden Euro sei die SNCF im internationalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig, wenn sie am Eisenbahner-Statut festhalte, argumentiert Macron.

Auch der Staatschef setzt auf Zermürbungstaktik

Jenseits des Essenziellen aber hat die Verkehrsministerin an mehreren Fronten eingelenkt. Sie hat den Zeitplan für eine Öffnung zugunsten privater Betreiber zur Diskussion gestellt und den hiervon betroffenen SNCF-Mitarbeitern Arbeitsplatz- oder auch Lohngarantien in Aussicht gestellt. Die Drohung, das Reformpaket auf dem Verordnungswege durchzusetzen, ist weitgehend vom Tisch. Die Reform soll im Parlament demnächst diskutiert werden.

Frankreichs Eisenbahner zeigen sich davon wenig beeindruckt. Sie wollen mehr und glauben, dies auch durchsetzen zu können. Dass die geplante Abfolge von zwei Streik- und drei Arbeitstagen geeignet ist, den Gegner zu zermürben, steht außer Frage. Während des Streiks wird aber so mancher Zug nicht gesäubert oder nicht gewartet und steht damit auch im Anschluss nicht gleich zur Verfügung. Und kaum läuft der Zugverkehr wieder, folgt schon die nächste Arbeitsniederlegung.

Auch der Staatschef setzt auf Zermürbungstaktik. Er hofft, dass die Beschäftigten nicht bereit sein werden, drei Monate lang finanzielle Einbußen hinzunehmen, und gemäßigte Gewerkschafter einlenken werden. Die Durchhaltekraft beider Seiten dürfte davon abhängen, wer die öffentliche Meinung für sich gewinnen wird. Macron verweist darauf, dass er als moderat liberaler Reformer angetreten ist, als moderat liberaler Reformer gewählt wurde und gegenüber den Franzosen im Wort stehe. Doch im Volk mehren sich Zweifel. Laut einer am Ostersonntag veröffentlichten Umfrage des Instituts Ifop halten 46 Prozent der Franzosen den Arbeitskampf der Eisenbahner für gerechtfertigt. 72 Prozent zeigen sich allerdings davon überzeugt, dass Macron die Reform durchziehen wird, und 51 Prozent hoffen, dass er es tut.