Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Der IG-Metall-Chef sieht gute Chancen, den Trend umzukehren, denn auch die Arbeitgeber würden erkennen, dass Tarifbindung im Wettbewerb um Fachkräfte ein attraktives Angebot sei. Es gebe keine fertigen Konzepte – er habe zunächst Eckpfeiler benannt. Klar ist, dass die Verwaltungsstellen in den nächsten neun Jahren mit insgesamt 190 Millionen Euro unterstützt werden, um etwa durch die Gründung von Betriebsräten systematisch tarifungebundene Firmen zu erschließen. Ein führender Funktionär schildert am Rande, dass geradezu ein Geldsegen auf die örtlichen Geschäftsführer niedergehe; sie müssten erst einmal überlegen, wie sie all die neuen Gewerkschaftssekretäre am besten einsetzten.

 

Als weiteren Schwerpunkt plant Hofmann eine bundesweite Kampagne „zur Neujustierung der Arbeitszeit“. Die 35-Stunden-Woche gelte längst nicht mehr für alle Beschäftigten – die tatsächlichen Arbeitszeiten seien gestiegen. „Schluss mit dem Verfall von Arbeitszeit“, fordert der IG-Metall-Chef. Die Zeit sei reif für einen Neustart. Die Kampagne ziele auf die Rückgewinnung der Souveränität im Umgang mit der Zeit. Demnach sind Aktionen vor und erst recht nach der Lohnrunde im Frühjahr 2016 geplant. Mit dem Arbeitgeberverband sind hinter den Kulissen schon Gespräche über mehr Flexibilität für Betriebe und Beschäftigte aufgenommen worden. Ergebnisse sind frühestens bis zur übernächsten Tarifrunde zu erwarten.

Anhaltende Differenzen bei TTIP

Dass sich die IG Metall und die Kanzlerin trotz arbeitnehmerfreundlicher Projekte wie dem Mindestlohn nicht in allem einig sind, zeigt das Freihandelsabkommen TTIP von EU und USA. An dem Widerstand sind die Gewerkschaften maßgeblich beteiligt. „Da spielt sich nicht so Gutes ab“, tadelt Merkel. Als die Regierung mit Südkorea ein Handelsabkommen geschlossen habe, sei noch kein Gewerkschaftsprotest zu hören gewesen. Jetzt herrsche „totale Ablehnung“. Nun werde so getan, „als wenn die USA ein Land sind, wo man das Allerschlimmste befürchten muss“. Dass es dort zum Beispiel strenge Umweltstandards gebe, „haben wir jetzt gelernt“, sagt Merkel süffisant mit Blick auf den VW-Abgasskandal, bei dem „schnell und transparent“ alle Fakten auf den Tisch kommen müssten.

TTIP sei breiter angelegt als jedes andere Abkommen zuvor, biete aber auch „viele, viele Vorteile“ – etwa durch gleiche Standards bei der Fahrzeugtechnik, im Verbraucher- und Umweltschutz. Es sei ein „erster Schritt zur vernünftigen Gestaltung der Globalisierung“. Merkel ermuntert die Gewerkschaften, noch einmal darüber zu reden – „sonst könnten wir ein echtes Eigentor schießen“. Die Ruhe im Saal quittiert sie zufrieden: „Stiller als bei Verdi“, sagt sie in Erinnerung an den lauten Unmut beim Verdi-Kongress Mitte September.