Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die USA damit, verurteilte Mobster zurück nach Italien zu schicken. Die wurden dort nicht glücklich. Der Journalist Gian Carlo Fusco hat einst einige dieser verarmten Killer porträtiert, nun liegt sein Buch endlich auf Deutsch vor.

Stuttgart - Auch in der Mafia ist nicht jeder gleich. Das mussten jene Gangster erfahren, die im Gefolge der Abschiebung von Charles „Lucky“ Luciano in den vierziger und fünfziger Jahren aus den USA nach Italien zurückgeschickt wurden. Nur für Luciano war das ein prima Geschäft gewesen.

 

Der Machtstratege des New Yorker Mobs war 1936 eingefahren, mit einer Verurteilung für vielfache gewaltsame Zuhälterei, die ihm 30 bis 50 Jahre hinter Gittern versprach. Der 1897 als Salvatore Lucania auf Sizilien Geborene hielt auch in der Haft viele Fäden in der Hand. Und so musste ihn die US-Regierung während des Zweiten Weltkriegs bitten, doch das Netzwerk der Mafia und ihrer korrupten Gewerkschaften zu nutzen, um Sabotage in den Häfen und die Infiltration feindlicher Agenten zu erschweren.

Luciano war kooperativ, denn er bekam die baldige Entlassung geboten, vorausgesetzt, er kehrte nach Sizilien zurück. Luciano konnte sich das leisten: er hatte viel Geld auf die Seite geschafft und war noch immer ein mächtiger Mann.

Kein Erbe außer Blutfehden

Die Amerikaner aber schickten ihm viele große und kleine Soldaten, Handlanger, Gewalttölpel und Ex-Hoffnungen der organisierten Kriminalität nach, und diese Typen waren nach ihrer Haft mittelos. Die alten Heimatdörfer kannten sie kaum noch, die Verwandten und Freunde von einst waren tot, verzogen oder längst ebenfalls emigriert, und wenn etwas auf sie wartete, dann waren das oft Blutfehden.

Von diesen sowohl üblen wie nun gänzlich verlorenen Kerlen erzählte der Journalist und Schauspieler Gian Carlo Fusco (1915-1984) in seinem Buch „Gli Indesiderabili“, das nun erstmals auf Deutsch vorliegt, als „Die Unerwünschten“. Fusco hat etliche der Ausgewiesenen damals getroffen, auch mehrmals, hat mit ihnen gegessen und getrunken, hat ihre Geschichten aus ihnen herausgebohrt: die schaurigen, wie sie früher gelebt, gehurt, schikaniert und gemordet hatten, und die anderen, wie sie nun als halbe Bettler und halbe Bluffer ihr Dasein fristeten.

Die schäbige Mafia-Ökonomie

Einige wollten noch immer gefährlich wirken. Aber bei Drohung neuerlicher Haft dazu verdonnert, ihre Geburtsorte nicht zu verlassen, waren sie entweder auf Almosen und die Toleranz der örtlichen Polizei angewiesen, oder sie mussten sich wie die ärmsten Rentner das bisschen aus USA gerettete Geld in kargste Wochenportionen einteilen. Sie führten nun das Leben jener, die sie früher im Auftrag ihrer Bosse skrupellos ausgesaugt und verachtet hätten.

Fusco ist durchaus fasziniert von diesen Typen, aber Mafia-Romantik produziert er nicht, und jedenfalls nicht nur Mafia-Folklore. Mit jedem weiteren der stets frischen, lebendigen Texte schärft sich das Bild einer schäbigen Mafia-Ökonomie. Die Abschiebung der Handlanger durch die US-Behörden ist keine Katastrophe für die Banden, sie erspart ihnen eher den unschönen Mord an eigenen Leuten beziehungsweise ein Betriebsrentenmodell.

Die ausgedienten Kerle verschwinden einfach, die Maßanzugträger der Generation zuvor machen den fitten jungen Kerlen Platz, und die müssen nicht vor Augen haben, wie abgerissen ihre Vorgänger fern von New York, Chicago und Detroit nun herumschlurfen. Ohne dass Fusco das Thema direkt ansprechen muss, ist „Die Unerwünschten“ eine Destruktion des Mythos von der Gemeinschaft auf Gedeih und Verderb, von der dunklen Bruderschaft, die wenigstens für ihresgleichen sorgt.

Gian Carlo Fusco: „Die Unerwünschten“. Mit einem Vorwort von Andrea Camilleri. Aus dem Italienischen von Monika Lustig. Berenberg Verlag, Berlin 2014. 149 Seiten, 20 Euro.