Nur knapp 160 Seiten braucht der italienische Autor Giancarlo De Cataldo, um eine ungewöhnliche Männerfreundschaft zu beschreiben: In „Der Vater und der Fremde“ geht es um Freundschaft, um behinderte Kinder. Und um dem Konflikt zwischen bravem Bürgertum und organisiertem Verbrechen.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Mit der „Nacht von Rom“ und mehr noch mit „Suburra“ sind dem Autorenduo Cataldo/Bonini bestürzende Einblicke in die Abgründe der italienischen Gesellschaft gelungen. Etwas privater zwar, aber nicht weniger fesselnd hat Giancarlo De Cataldo seinen kurzen Roman „Der Vater und der Fremde“ angelegt.

 

Gegenstand des Buches ist eine ungewöhnliche Männerfreundschaft. Auf der einen Seite ein ins Aschgraue tendierender Justizbeamter, auf der anderen ein eleganter, gut aussehender, erfolgreicher und offensichtlich hochkrimineller Orientale. Die beiden eint, dass jeder ein schwerstbehindertes kleines Kind hat. Sie lernen sich kennen in dem Krankenhaus, in dem die Söhne therapiert werden.

Walid, so wahrscheinlich der Name des Fremden, nimmt seinen neuen Freund Diego in seine schillernde Welt mit, zeigt ihm eine orientalischen Exotik, mit der dieser brave Beamte nur schwer zurecht kommt. Als plötzlich auch noch die Polizei auftaucht, ihn mit seinem Kontakt zu Walid konfrontiert und seine Kollaboration einfordert, steckt der Familienvater vollends zwischen allen Fronten. Hier das nahezu nicht lebensfähige Kind, dort die kriselnde Ehe, dann die Verlockungen des Luxus, die Angst, in etwas Kriminelles hineingezogen zu werden, der Druck der Polizei.

Es ist weniger das Krimielement, das dieses Buch ausmacht. Es geht vielmehr darum, wie ein Mensch damit fertig wird, wenn er in einer aussichtslosen familiären Lage steckt. Wie er möglicherweise anfällig wird für Anfechtungen. Und wie er am Ende vielleicht doch ein bisschen Hoffnung schöpft. Sehr eindrucksvoll!

Giancarlo De Cataldo: „Der Vater und der Fremde“. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio Verlag. 159 Seiten, gebunden. 20 Euro