Gekommen, um zu feiern: Gianna Nannini beglückt in der Liederhalle ihre Fans mit temperamentvollem Italo-Rock.

Stuttgart - Für gewöhnlich verharrt das Liederhallen-Publikum bei einem Popkonzert sittsam auf den Plätzen, ehe die ersten Mutigen nach gut einem Stündchen Richtung Bühne streben. Bei Gianna Nannini geht das alles etwas fixer. Ungefähr drei Sekunden dauert es, bis das Parkett im ausverkauften Beethovensaal zur kollektiven Stehplatzzone wird, von Beginn an lassen die 2000 Fans keinen Zweifel: Sie sind gekommen, um zu feiern. Und die auch mit demnächst 63 Jahren nach wie vor führende Rocklady Italiens sieht die Sache genauso. Knapp zwei Stunde zelebriert sie Hits aus vier Jahrzehnten als Hymnen an die Liebe, die Lust und das Gute: eine Fiesta in Grün-Weiß-Rot für die italienischen Momente des Lebens.

 

Modisch schlägt Nanninis Herz eher für Fliederfarbenes mit Glitzerkram, musikalisch aber für einen Gitarrensound amerikanischer Machart, den ihre Band als eher grob gestrickten Breitwand-Rock alter Schule serviert, also mit breitbeinigen Männerposen und steil nach oben gereckten Gitarrenhälsen. Die Chefin aber agiert mit viel herzlicher Italianità und dem herbem Charme einer toskanischen Marktfrau, die ihre Kundschaft in der ersten Reihe anraunzt, sie möge endlich die Finger aus den Erdbeeren nehmen, damit auch die Bambini mal naschen können. Auch ein Streichersextett darf ein wenig aufspielen – außer in ein, zwei Intermezzi geht sein Klang im kernigen Saitensound zwar weitgehend unter, aber in ihren roten Roben sind die Musiker hübsch anzusehen und verbreiten pure Spielfreude.

Hitrevue von „Latin Lover“ bis „Bello e impossibile“

Überhaupt ist an diesem Abend wirklich jeder Besucher allerbester Laune – weit wie selten für Beethovensaal-Verhältnisse ragt der Euphoriepegel in den roten Bereich. So geht es durch eine Hitrevue von „Latin Lover“ und „I maschi“ bis „Bello e impossibile“, „Meravigliosa creatura“ und „Un estate italiana“. Eigentlich vermisst man nur „Occhi aperti“, und man sinniert ein wenig darüber, warum sich die Sängerin nichts anderem zuwendet als bloß der italienischen Variante von sehr konventioneller amerikanischer Rockmusik, warum sie nichts Folkloristisches anstimmt und sich vom Blues der frühen Jahre völlig verabschiedet hat. Aber das wäre an diesem Abend einfach die falsche Frage gewesen.