Die im Fall Skripal beschuldigten Russen treten im TV auf. Ihre Unschuldsbeteuerung wirkt allerdings nicht wirklich glaubwürdig.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Moskau - Das Bekenntnis kommt ihnen stockend über die Lippen. „Ja, wir sind die, die die Briten gezeigt haben. Wir heißen auch so, wie sie gesagt haben.“ Alexander Petrow und Ruslan Boschirow sollen die Namen der beiden Männer sein, die an diesem sonnigen Donnerstagmittag Fragen im russischen Auslandssender RT beantworten. Als „Exklusivinterview“ verkauft die RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan den Auftritt der Männer, die die britische Regierung beschuldigt, den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia vor einem halben Jahr im englischen Salisbury mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet zu haben. Vater und Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie mussten wochenlang intensiv behandelt werden und entkamen nur knapp dem Tod.

 

Fahndungsaufruf aus London

Sergej Skripal hatte früher für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet und dem britischen MI 6 Informationen weitergeleitet. 2004 flog er auf. Er wurde in Russland zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Bei einem Gefangenenaustausch kam er 2010 nach Großbritannien.

In der vergangenen Woche hatte die britische Polizei einen Fahndungsaufruf für die beiden Verdächtigen veröffentlicht. Am Mittwoch hatte Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt, man habe die Männer gefunden, sie seien Zivilisten. Er forderte diese dazu auf, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Prompt geschieht genau das. Es gäbe „nichts Außergewöhnliches und Kriminelles“ an ihnen, so Putin.

Angespannt sitzen Petrow und Boschirow im Büro der RT-Chefin Simonjan, drehen sich nervös auf ihren Stühlen hin und her. Sie sprechen leise, nehmen zuweilen die Hände zu Hilfe. „Es ist heiß hier, ich schalte mal die Klimaanlage an“, sagt Simonjan. Warum sie sie denn angerufen hätten, was sie denn von ihr erwarteten, fragt die Journalistin, die den Westen offen verachtet. Der Sender RT (früher Russia Today) wird staatlich finanziert. Kritiker werfen ihm vor, als Propagandainstrument die Politik des Kreml zu unterstützen.

Schwere Krise zwischen Moskau und London

Die Männer geben sich unschuldig. „Man hat mit den Beschuldigungen unser Leben zerstört. Wir wollen Schutz. Wir wollen, dass man uns in Ruhe lässt“, sagen die beiden in blauen Pullovern. Zur Aufklärung des Anschlags, der zu einer schweren Krise zwischen Russland und dem Westen führte und für eine groß angelegte Ausweisung von Diplomaten auf beiden Seiten sorgte, tragen die angeblichen Petrow und Boschirow wenig bei. Als Touristen seien sie nach London gekommen, seien dann weiter ins „wunderschöne“ Salisbury gereist, erzählen sie. „Jeder in der Welt weiß, dass die Kathedrale dort berühmt ist, 123 Meter ist der Kirchturm hoch“, sagt Petrow. Allerdings habe sie der viele Schnee überrascht. „Bis zu den Knien waren wir nass.“

In der Fitnessindustrie tätig

Nach nur einer Stunde seien sie abgereist. Wo das Haus der Skripals sei, wüssten sie nicht. Sie arbeiteten auch nicht für Russlands Militärnachrichtendienst GRU. Sie seien in der Fitnessindutrie tätig. Mehr geben sie in den 25 Minuten ihrer Unschuldsbeteuerung nicht von sich preis. Das Interview wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Doch es passt in das russische Narrativ des Skripal-Falls und nicht nur dieses. Es stiftet Verwirrung, zeigt, dass die Wahrheit so ausgelegt werden kann, wie sie gerade gut zu gebrauchen wäre – dass es scheinbar sogar keine Wahrheit gibt.

Die beiden Männer Petrow und Boschirow sind Moskau Beweis genug, dass Großbritannien im Fall Skripal ein „billiges Theaterstück“ aufführe. Kein Wort davon, dass die britische Polizei die beiden Verdächtigen unter anderem anhand von Videoaufnahmen identifiziert hat. Minutiös haben die Ermittler den Weg der Männer nach Salisbury nachgezeichnet.