Nach fast drei Jahrzehnten des Zuwartens ist dem Höchsten Gericht Indiens der Kragen geplatzt und es hat die Politik zum Handeln verdonnert. Die indische Regierung beauftragt nun die deutsche GIZ, rund 350 Tonnen Giftmüll aus Bhopal zu entsorgen.

Neu-Delhi - Seit bald 28 Jahren vergiften die Altlasten der Fabrik im indischen Bhopal Boden, Grundwasser und Menschen, nun soll die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 350 Tonnen Giftmüll um die halbe Welt nach Deutschland fliegen und dort entsorgen. Indiens Regierung gab am Freitag in Neu-Delhi grünes Licht dafür, die staatliche GIZ mit dem Unterfangen zu beauftragen. Ein Vertrag soll in zwei bis vier Wochen fertig sein. Die Kosten von 3,4 Millionen Euro werde Indien tragen, teilte die GIZ mit.

 

In Bhopal war es am 3. Dezember 1984 zum schwersten Chemieunglück der Geschichte gekommen, als 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide austraten – mitten im Armenviertel der Stadt. 8000 Menschen starben in den ersten Tagen, weitere 15.000 bis 30.000 wenig später. Bis zu 500.000 atmeten das Giftgemisch ein, viele wurden chronisch krank.

Deutsche Umweltschützer protestieren

Die GIZ bemüht sich, mögliche Ängste in Deutschland zu zerstreuen. Bei den 350 Tonnen Sondermüll handle es sich nicht um Giftstoffe aus dem Gasunglück, sondern vielmehr um mit Pestiziden, Insektiziden und Schwermetallen verseuchte Erde. Diese Stoffe stammten aus der Produktion. „Es geht also um weitaus weniger gefährliche Stoffe, die aber dennoch den Menschen vor Ort gesundheitlichen Schaden zufügen“, betont die GIZ.

Laut GIZ besitzt Indien – anders als Deutschland – keine Entsorgungsanlagen für solche Abfälle. „Indien ist zu dieser Entsorgung nicht in der Lage“, sagt GIZ-Experte Hans-Herrmann Dube. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, soll der Sondermüll in fünf Flügen nach Deutschland geschafft werden. Nach GIZ-Angaben wird dies frühstens Anfang 2013 geschehen.

Deutsche Umweltschützer von BUND und von Greenpeace hatten den Transport als riskant kritisiert, indische Umweltschützer hatten ihn befürwortet. Dube dementiert Angaben aus Indien, wonach der Giftmüll in Hamburg entsorgt werden soll. Über den Standort sei noch nicht entschieden worden. „Oberstes Gebot ist dabei für uns höchste Sicherheit vor Schnelligkeit.“

Die 350 Tonnen Giftmüll sind nur ein Teil des Problems

Gelöst scheint das Giftproblem von Bhopal damit noch nicht. Umweltschützer vermuten, dass noch bis zu 27 000 Tonnen verseuchte Erde dort lagern. Bis heute rotten die Ruinen der Todesfabrik vor sich hin. Zehntausende Arme leben weiter in Slums in der Nähe des verseuchten Geländes und müssen häufig das Grundwasser trinken, wenn die Wassertanks leer sind. Helfer berichten über vermehrte Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen sowie überdurchschnittlich viele Krebsfälle.

Alle Versuche Indiens, das giftige Erbe zu entsorgen, sind bisher gescheitert – am Geld, an Protesten und an fehlenden Entsorgungsanlagen. Doch dann ist dem Höchstem Gericht jüngst der Kragen geplatzt. Die Richter warfen der Politik vor, untätig zu sein, weil die Opfer arm seien – und verdonnerten die Regierung zum Handeln. Delhi trat daraufhin an die deutsche GIZ heran, die über mehr als 20 Jahre Erfahrung bei der Entsorgung von Sondermüll aus Entwicklungsländern verfügt und nach eigenen Angaben bereits zwei Dutzend ähnlicher Aufträge abgewickelt hat.

Die indische Regierung hat angekündigt, die nötigen 3,4 Millionen Euro vom US-Konzern Dow Chemical zurückzuverlangen, der Union Carbide 2001 gekauft hatte. Die Chancen sind fraglich: Union Carbide hatte 1989 einmalig 489 Millionen US-Dollar als Entschädigung gezahlt und Indien hatte dem damals zugestimmt.