Davos - Sie wollen auch über die Berge kommen. Kritikerinnen und Kritiker des Weltwirtschaftsforums (WEF) von Davos haben angekündigt, mit Tourenski aus den umliegenden Tälern zu dem Bergort hinaufzukraxeln und durchs Gelände um die Polizei herumzufahren. Wobei die Zahl derjenigen, die sich so etwas zutrauen, selbst in einem Wintersportland wie der Schweiz begrenzt ist. Trotzdem erlebt der Protest gegen den alljährlichen Manager- und Politikergipfel in diesem Jahr eine Renaissance – angetrieben durch die Klimadebatte.
Am Dienstag beginnt das WEF. Dutzende Staatschefs, viele Minister und Hunderte Firmenvorstände werden neben US-Präsident Donald Trump, Kanzlerin Angela Merkel und Klimaaktivistin Greta Thunberg erwartet.
„Die Mitglieder des WEF tragen eine große Verantwortung für die Klimakrise“, schreibt die Gruppe Strike WEF. Sie beruft sich auf eine Untersuchung des Carbon Accountability Institute (Institut für Kohlenstoff-Verantwortung) aus Colorado, USA, der zufolge alleine 20 Erdöl-, Gas- und Kohlekonzerne ein Drittel aller globalen Kohlendioxid-Emissionen verursachten. Einige von ihnen wie Saudi Aramco, Chevron und BP gehören zu den strategischen Partnern des WEF, finanzieren die Veranstaltung und haben Einfluss auf ihre politische Agenda.
Protest-Wanderung angemeldet
Als Teil der weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung hat Strike WEF unter anderem eine Protestwanderung angemeldet. Der Fußmarsch beginnt am Sonntag in der Stadt Landquart in Graubünden und soll am Montag Klosters unterhalb von Davos erreichen. Nur für diesen Teil der Demonstration hat die Polizei die Benutzung der Straße erlaubt. Danach wolle man über Wanderwege, für die keine Erlaubnis nötig sei, nach Davos gelangen, sagte Payal Parekh von Strike WEF. Dort wollen die Klima-demonstranten am Dienstag an einer Kundgebung teilnehmen, die die Jungsozialisten Graubünden bei der Polizei angemeldet haben. Die hat eine Veranstaltung mit 300 Leuten auf dem Rathausplatz in der Nähe des Bahnhofs Davos Platz genehmigt. Später gibt es eine „Volksversammlung“ in einer Schule, um zu beraten, wie sich die CO2-Emissionen bis 2035 auf null senken lassen.
Möglicherweise wird Greta Thunberg, die Initiatorin der Fridays-for-Future-Bewegung, an den Protesten teilnehmen. Sie soll aber auch im offiziellen Programm des Forums auftreten. Während sie beim WEF 2019 eine kurze Rede am letzten Tag des Kongresses hielt, wird ihr nun am Eröffnungstag zweimal die Bühne bereitet. Im großen Saal diskutiert sie unter anderem mit Oliver Bäte, dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz-Versicherung, darüber, wie sich die „Klimaapokalypse“ verhindern lässt. WEF-Chef Klaus Schwab ist bemüht, seine Veranstaltung nicht als Kongress von Konzernen erscheinen zu lassen, sondern ihm den Anschein der Offenheit zu verleihen. Deshalb hat das WEF Aktivistin Thunberg als eine von zehn jugendlichen „Change Makers“ adoptiert.
Flexibilität ist Lehre aus früheren Konfrontationen
Diese Flexibilität ist eine Lehre aus früheren Konfrontationen. Während das heutige WEF bis in die 1980er Jahre nur ein Managertreff mit begrenzter Reichweite war, mauserte es sich im Zuge der neuen Globalisierung zum Weltwirtschaftsforum. Linke Kritiker der Globalisierung, die Ende der 1990er unter anderem die Organisation Attac und 2001 das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre gründeten, betrachteten Davos als ihren natürlichen Gegner und Drehscheibe der globalen Herrschaft der Konzerne.
Eine Demonstration mit rund 1000 Leuten zog im Jahr 2000 durch Davos. Es gingen einige Fenster zu Bruch. 2001 kam es zu Straßenschlachten in Zürich. 2004 wurden Davos-Gegner von der Polizei in Landquart eingekesselt. Jahrelang tagte parallel zum Forum in Davos die Organisation Public Eye (Öffentliches Auge) und verlieh für umwelt- und menschenverachtende Geschäftspolitik Schmähpreise an Konzerne. 2015 hatte sich dieser Protest erschöpft. Nun geht es wieder los. „Die Mitglieder des WEF stehen für ein System, das in einer endlichen Welt auf unendliches Wachstum baut“, schreibt Strike WEF. Und: „Das WEF gehört abgeschafft.“