Guiseppe Conte ist designierter Ministerpräsident Italiens, obwohl er politisch ein unbeschriebenes Blatt ist. Künftig soll er eine der umstrittensten Regierungskoalitionen Europas führen:

Rom - Er ist als Jurist kaum bekannt und ein völliger Neuling im Politik-Geschäft - und doch übernimmt Giuseppe Conte nun die Führung von einer der umstrittensten Regierungskoalitionen in Europa. Der 53-Jährige erhielt am Mittwoch von Italiens Präsident Sergio Mattarella den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Die Fäden ziehen aber die Chefs der beiden Regierungsparteien, der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega, vor deren politischem Kurs schon jetzt so manchem in den europäischen Hauptstädten graut.

 

Geboren wurde Conte in Volturara Appula, einem 500-Seelen-Dorf in Apulien. In der italienischen Hauptstadt führt Conte ein Anwaltsbüro. Darüber hinaus unterrichtet er Privatrecht an Hochschulen in Florenz und Rom. Conte lebt von seiner Frau getrennt. Er hat einen zehnjährigen Sohn. Sein Lebenslauf liest sich beeindruckend: Er gibt Studienstationen in Rom und an einigen der bekanntesten Universitäten der Welt an - darunter Yale und die New York University (NYU) in den USA, Cambridge in Großbritannien und die Sorbonne in Paris. Rasch kamen allerdings Zweifel an Contes Angaben im Lebenslauf auf: Eine Zeitung in den USA berichtete, dass die NYU in ihren Unterlagen keine Hinweise auf einen Studienaufenthalt Contes finden konnte. Andere der genannten Universitäten wollten auf AFP-Anfrage unter Verweis auf den Datenschutz keine Auskunft geben. Die Diskussion um den möglicherweise aufgehübschten Lebenslauf ist fast das einzige, was die italienische Öffentlichkeit nun mit Conte verbindet.

„Er wird Italien nicht zur Last fallen“

Nur einmal trat er öffentlich in Erscheinung: Einige Tage vor der italienischen Parlamentswahl vom 4. März stellte die Fünf-Sterne-Bewegung den Juristen als ihren potenziellen Minister für Bürokratieabbau vor. Nach der Wahl, während der Gespräche zur Regierungsbildung, blieb Conte jedoch unsichtbar. Auf der Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten einigten sich die Koalitionspartner in Rom dann auf den weitgehend unbekannten Juristen. Er sei „sehr stolz, seinen Namen zu präsentieren“, erklärte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio über Conte. Dieser sei „der Inbegriff der Fünf-Sterne-Bewegung: Er wird Italien nicht zur Last fallen.“

Der 53-jährige Jurist hat seine politischen Positionen nach eigener Aussage in den vergangenen Jahren verändert. „Früher habe ich links gewählt. Heute denke ich, dass die Einteilung in die ideologischen Lager des 20. Jahrhunderts nicht mehr angemessen ist“, wurde Conte in der Presse zitiert. Nach der Nominierung am Mittwoch gab er sich selbstbewusst: Er wolle „Italiens Platz in Europa und der Welt“ behaupten, sagte Conte. Und er wolle eine „Regierung des Wandels“ anführen. Nach den Plänen der Koalitionäre soll er eine Abkehr vom Sparkurs im hoch verschuldeten Italien vollziehen - und damit aller Voraussicht nach einen Konfliktkurs gegen die EU steuern.

Conte an der Spitze – aber andere ziehen die Strippen?

Vermutlich bestimmen ohnehin die politischen Schwergewichte an der Spitze der Koalitionsparteien die Politik - zumal Fünf-Sterne-Chef Di Maio und der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini Berichten zufolge wichtige Ministerposten anstreben. Die linke Tageszeitung „La Repubblica“ nannte Conte vor diesem Hintergrund einen „Ministerpräsidenten ohne Macht“: „Über welche Autorität wird er verfügen, wenn er Angela Merkel oder Emmanuel Macron trifft?“ Das sieht der Politikwissenschaftler Franco Pavoncello anders. Er kennt den 53-Jährigen von der John-Cabot-Universität in Rom und betont, Conte sei „ein integrer Mann“, der nicht gegen sein Gewissen handeln werde. „Ich wäre überrascht, wenn er passiv alles hinnimmt, ohne seine eigenen Ansichten darüber vorzubringen, wie die Dinge laufen sollen“, sagt Pavoncello. Offen bleibe aber, ob Conte die verschiedenen Flügel seiner möglichen Regierung zusammenhalten könne. An seiner Hartnäckigkeit lässt Conte zumindest in seinem Profil beim Messengerdienst Whatsapp keinen Zweifel. Dort zitiert der Kandidat Medienberichten zufolge den früheren US-Präsidenten John F. Kennedy mit den Worten: „Jeder Erfolg beginnt mit dem Willen, es zu versuchen.“