Tausende geschädigte P&R-Anleger wollen bei der ersten Gläubigerversammlung wissen, was noch zu retten ist und wie es weitergeht. Ein Gutachten empfiehlt Klagen gegen Finanzberater.

München - Es erinnert an eine Trauerprozession: Im Morgengrauen machen sich geschädigte Anleger in München auf den Weg vom U-Bahnhof zur Olympiahalle, wo die erste Gläubigerversammlung der Pleite gegangenen Containerfirma P&R stattfindet. Die meisten schweigen, manche murmeln, wenige zeigen sich erbost und gestikulieren. Gut 3000 Geschädigte haben sich bei Insolvenzverwalter Michael Jaffe angemeldet. Rund 2500 Anleger sind nach Angaben des Münchner Amtsgerichts gekommen.

 

Die 1975 von dem Unternehmer Heinz Roth und einer Partnerin gegründete Firma P&R ist ein Urgestein des grauen Kapitalmarkts. Sie hat an Anleger große Schiffscontainer verkauft, die dann zurück- und an Reeder weitervermietet wurden. Am Ende wurden die gebrauchten Boxen zurückgekauft. Das und die Miete ergaben die Rendite. Das Geld ist jahrzehntelang zuverlässig geflossen. Wer einmal investiert hatte, hat oft erneut angelegt und nicht selten auch Familienmitglieder dazu ermuntert. Über Generationen hinweg wurde Geld in P&R investiert. Bei der Pleite im Frühjahr waren es insgesamt 3,5 Milliarden Euro, verteilt auf 54 000 Anleger bundesweit.

Die Anlegerschützer sind munitioniert

Die Gläubigerversammlung ist nicht öffentlich. Medienvertreter haben keinen Zutritt. Der Zutritt ist Geschädigten und Vertretern mit Vollmacht vorbehalten. Zu ihnen zählen Rechtsanwälte der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), die allein rund 800 Geschädigte vertritt. Die Juristen sind munitioniert. Zwei Gutachten hat die SdK im Vorfeld des ersten Gläubigertreffens erstellen lassen - eines zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit der P&R-Gruppe und ein zweites zur Haftungsfrage. „Das Geschäftsmodell von P&R war seit Jahren erkennbar nicht langfristig tragfähig“, ist die Kernaussage einer Expertise. Die Anlegern garantierten Containermieten hätten weit über den Marktpreisen gelegen. Gleiches gelte für die Rückkaufspreise. Anlegern versprochene Zahlungen hätten deshalb zunehmend mit frisch eingeworbenem Geld neuer Anleger befriedigt werden müssen.

Das deckt sich mit den bisherigen Erkenntnissen Jaffes, der einen Fehlbestand von einer Million Container entdeckt hat. 1,6 Millionen Transportboxen hat P&R an Anleger verkauft. Nur 618 000 Container hat es aber am Ende wirklich gegeben. Deshalb sitzt Roth nun auch Untersuchungshaft, während Jaffe versucht, Vermögenswerte der P&R-Mutterfirma in der Schweiz zu sichern.

Viele Gläubiger sind im Seniorenalter

Das zweite SdK-Gutachten will die Frage klären, ob Finanzberater bei der Vermittlung von P&R-Anlagen die schneeballartigen Strukturen hätten erkennen und warnen müssen. Berater seien auch renommierte Geldhäuser wie die Commerzbank oder die Postbank gewesen, sagt SdK-Chef Daniel Bauer. Das Gutachten habe Grundlagen für Schadenersatzansprüche gegen Vermittler bestätigt. Die Anlegerschützer raten deshalb zur Klage, auch weil über diesen Weg mutmaßlich am meisten Geld zu holen ist. Das Privatvermögen von Roth und anderer Manager reiche nicht einmal ansatzweise um die offenen Milliardenansprüche zu bedienen.

Klagen aber dauern lange und der Erfolg ist ungewiss. Viele P&R-Gläubiger sind im Seniorenalter. Sie brauchen möglichst schnell, was noch an Werten aufzutreiben ist. Darauf arbeitet Jaffe hin und stellt eine erste Abschlagszahlung für 2020 in Aussicht. Durch Weitervermietung der Container könnten bis 2021 rund 560 Millionen Euro zusammenkommen, sagte Jaffe nach Angaben von Versammlungsteilnehmern.

Andererseits sei schwierig, Vermögenswerte in der Schweiz zu sichern und nach Deutschland zu transferieren. Wird eine Folgeinsolvenz der dortigen P&R-Mutter vermieden, könnten am Ende bis zu eineinhalb Milliarden Euro gerettet werden, schätzt der Gläubigeranwalt Peter Mattil.