Japan gilt als roboterverliebt. Aber warum werden dann Menschen in die verstrahlten Meiler in Fukushima geschickt?

Fukushima - Es sieht so aus, als wären sie überall. Am Narita Airport in Tokio machen zwei Roboter mit niedlichen Gesichtern, Narita-kun and Epo-chan, den Boden sauber. Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania haben autonome Flugroboter dazu gebracht, Gerüste aus Fertigteilen aufzubauen. Biorobotiker an Carnegie Mellon University haben einen Schlangenroboter gebaut, der einen Baum hochkriechen kann. Der deutsche Robotikforscher Klaus Schilling spricht sogar von der Notwendigkeit, juristische und ethische Grundlagen zu schaffen, um bei der zunehmenden Entscheidungsfähigkeit von Robotern deren Schuldfähigkeit festzustellen. 

 

Aber zuvor vielleicht noch eine Frage: Wo sind die Roboter in Fukushima?

Wo sind, in einer geradezu roboterverrückten Hightechnation wie Japan, die Flugroboter, die in den offen liegenden Reaktorgebäuden nach der inneren Sicherheitshülle um den Reaktorkern sehen, nach den plutoniumhaltigen Brennstäben in den Abklingbecken? Die Messungen durchführen, ohne dass Menschen in Gefahr geraten? Eine amerikanische Global-Hawk-Flugdrohne soll die Reaktorblöcke in Fukushima nun überfliegen. Wo sind die Roboter, die für Mondlandschaften prädestiniert sind und sich im Gebäudeschutt der Reaktorblöcke bewähren können? Raupengeräte, Kletterroboter, fernsteuerbares schweres Gerät? Das kann doch nicht wahr sein, dass die ganze Roboterverheißung nur für Wettbewerbe und Firmenpräsentationen da ist.

Warum schickt man in Fukushima Menschen in die Todeszone?

"Robots take dangerous Jobs" - Roboter übernehmen gefährliche Aufgaben - bereits 2003 waren auf der Fachmesse Robodex in Tokio Roboter vorgestellt worden, die unter Extrembedingungen arbeiten sollten. So wurden etwa an der japanischen Universität Chiba Minenräumgeräte entwickelt, darunter der eine Tonne schwere Comet III, der sich wie eine Spinne auf sechs Beinen bewegt. Der Prototyp HRP-2 einer anderen Forschungseinrichtung war explizit für Arbeiten an Orten vorgesehen, "die für Menschen gefährlich sind".

Shin Furukawa, Planungsdirektor bei dem Roboterhersteller Tmsuk, hob die Wichtigkeit von Robotern für diese Art von Einsätzen hervor. Im September 1999 stand er mit der Betreiberfirma JCO der Wiederaufarbeitungsanlage in Tokaimura 120 Kilometer nordöstlich von Tokio in Kontakt, als sich der bis dahin schwerste Atomunfall in Japan ereignete. Zwei Menschen kamen ums Leben, Hunderte wurden kontaminiert. "Ich habe mit einem der Verantwortlichen gesprochen, er hatte eine Liste mit Namen vor sich, mit Alter und Familienstand. Hätten wir Roboter gehabt, wir hätten sie stattdessen schicken können."

Roboter bringen nicht immer den gewünschten Erfolg. Zur Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko hatte die Firma BP auf Unterwasserroboter gesetzt - aber hier kam die Hoffnung auf Maschinen, die sich mit selbstverständlicher Todesverachtung in 1500 Metern Tiefe gegen widrige Umstände durchsetzen, mit der merkwürdigen Realität von Katastrophen in Kontakt. Die Steuerung der Tauchroboter war so schwierig, dass zwei Personen, umgeben von Monitoren, jeweils einen Roboter zu kontrollieren versuchten - einer navigierte das Vehikel, der andere versuchte, dessen Arme so zu bewegen wie die eines Menschen. Der Versuch, damit die Absperreinrichtungen des Bohrlochs zu aktivieren, schlug fehl.

Unter Androhung von Strafen in das Kraftwerk

Trotzdem: wo sind die Roboter in Fukushima? Der japanische Industrieminister Banri Kaieda soll Feuerwehrleuten Strafen angedroht haben, wenn sie nicht in den lebensgefährlichen Einsatz in das Atomkraftwerk Fukushima I ziehen (zuvor hatte es immer geheißen, der Einsatz sei freiwillig). Dem Gouverneur von Tokio, Shintaro Ishihara, zufolge habe ein Minister den Männern befohlen, "sofort an die Arbeit zu gehen". 

Warum werden Menschen ins Verderben geschickt, wenn längst Maschinenhilfe zur Verfügung stehen sollte? Sind Robotiker nur für PR-Stunts wie die Weltraumroboter der Nasa gut, der den Sympathieschwund für das Milliardengrab der bemannten Raumfahrt aufhalten sollen? Am Sonntag wurden von Paris aus Geräte der Groupe Intra, die auf Unfälle in Atomkraftwerken spezialisiert ist, Richtung Japan in Marsch gesetzt. Intra gehört dem größten französischen Stromkonzern Électricité de France (EDF), der 13 Prozent des in französischen Kernkraftwerken anfallenden radioaktiven Abfalls über Le Havre nach Russland verschifft.

Eine entspannende Alternative zum Menschen

Es ist im Übrigen nicht naturgegebenes Nerdtum, das die Japaner Roboter über Roboter - vom Blechspielzeug in den 50er Jahren bis hin zu pneumatisch-digitalen Marilyn-Monroe-Substituten - bauen lässt. Die spezielle Hinneigung zu menschenähnlichen Maschinen hat eher damit zu tun, dass die japanische Höflichkeit den Umgang mit realen Menschen manchmal so kompliziert macht, dass man ein maschinelles Gegenüber schlicht als entspannende Alternative ansieht. Zumal der Shintoismus als verbreitete japanische Glaubensform auch Dingen, also auch Robotern einen beseelten oder göttlichen Charakter zuspricht.

So baut man in Japan Roboter, die Klavier und Geige spielen, Marathons laufen und Hochzeitszeremonien abhalten - aber keine, die bei der Risikowahrnehmung und der Eindämmung der Lebensgefahren helfen, die von den Reaktorblöcken in Fukushima und der Kernenergie ausgehen.

Landkarten für Hilfskräfte

Luftaufnahmen Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt wertet Satellitenbilder aus und stellt sie Hilfsorganisationen in Japan zur Verfügung. Aus den Daten lassen sich Karten erstellen, in denen die Zerstörungen in verschiedenen Regionen verzeichnet sind. 

Satellitentechnik Die Daten stammen von den beiden deutschen Satelliten Terrasar-X und Tandem-X. Sie vermessen mit ihrem Radar die Erdoberfläche in 3-D. Durch den Vergleich mit früheren Aufnahmen sind die Veränderungen nach dem Erdbeben und dem Tsunami zu erkennen.