Die Große Koalition hat sich ebenso große Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2025 soll das Internet mindestens 20 Mal schneller werden. Das Problem: Nur zwei Prozent der deutschen Haushalte hat bereits eine schnelle Glasfaserverbindung.

Schönewalde - Andreas Scheuer will natürlich zeigen, dass es vorangeht. Also hat der Bundesverkehrsminister an diesem Montag in die brandenburgische Provinz geladen, nach Schönewalde, wo seine Mitarbeiter auf einem Feld eine riesige Deutschlandkarte in Schwarz-Rot-Gold haben auslegen lassen. 698 Pfähle stecken im Boden, von denen jeder einzelne ein bewilligtes Förderprojekt darstellt. Zusammen hat der Bund seit 2015 insgesamt 3,37 Milliarden Euro springen lassen, um schnelle Internetverbindungen auch in jene Gebiete zu bringen, in denen sich Telekomunternehmen keine ausreichenden Gewinne versprechen. Leistungsfähige Digitalnetze seien heutzutage schließlich „genau so notwendig wie Trinkwasser“, meint der Schönewalder Bürgermeister Michael Stawski.

 

Insbesondere das Internet im ländlichen Raum soll ausgebaut werden

Für die Schulen, für die Ansiedlung von Unternehmen. Für Bürger, die nicht mehr jeden Tag ins Büro im fernen Berlin fahren müssen - und dann vielleicht nicht wegziehen. „70 Prozent der Arbeitsplätze des Mittelstandes befinden sich im ländlichen Raum“, sagt Scheuer: „Da soll niemand abgehängt werden.“ Schnell ist das Internet nach derzeitiger Definition, wenn 50 und mehr Megabit pro Sekunde fließen. Davon sollten noch 2018 alle Haushalte in Deutschland profitieren, hatte Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt, ebenfalls von der CSU, einst versprochen.

Es ist tatsächlich vorangegangen seither, von hundertprozentiger Abdeckung jedoch ist man weit entfernt: Konnten 2013 lediglich 58,2 Prozent der Haushalte mit dieser Geschwindigkeit „surfen“, sind es den neuesten, jetzt von Scheuer präsentierten Zahlen zufolge 82,9 Prozent. Schon aber hat sich die neue Bundesregierung ein neues Ziel gesetzt: Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verspricht „den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025“ - also mindestens 20 mal so schnell in sieben Jahren. Das geht nur, wenn Glasfaserkabel verlegt werden, und das nicht nur bis zum Verteilerkasten, sondern „möglichst direkt bis zum Haus“, wie CDU, CSU und SPD zugesagt haben.

Deutschland steht beim Glasfaserausbau nicht gut da

Schulen, Gewerbegebiete oder öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser sollen zuerst an der Reihe sein und noch in dieser Legislaturperiode bis 2021 an Glasfasernetz gehen. Das Problem dabei: Beim Glasfaser steht Deutschland – weil lang auf die Kupfertechnologie gesetzt wurde – nicht gut da: Gerade einmal zwei Prozent der Haushalte nutzen die auf Licht basierende Übertragungstechnik. Damit liegt Deutschland zum Beispiel hinter Bulgarien. Im Bundesverkehrsministerium wird darauf verwiesen, dass Glasfaseranschlüsse immerhin für „gut acht Prozent“ der Haushalte zur Verfügung stünde, wegen der höheren Kosten aber offenbar nicht genutzt werde. Außerdem seien viele der weit verbreiteten Fernsehkabelanschlüsse bereits „gigabitfähig“, tauchten aber in internationalen Vergleichsstudien selten auf.

Ganz auf Glasfaser setzt natürlich auch Scheuers Förderprogramm, mit dem auf einer Gesamtlänge von 92000 Kilometer Gräben durch Deutschland gezogen werden und weitere 2,1 Millionen Haushalte High-Speed-Internet erhalten sollen - die Ausbauquote würde damit um weitere fünf Prozentpunkte steigen. Eines der Probleme, die den Netzausbau deutlich verlangsamen, wird aus der Statistik ebenfalls ersichtlich. Von den 698 Förderbescheiden sind nämlich nur 109 „endgültig bewilligt“. Vor dieser entscheidenden zweiten Stufe des Verfahrens liegt für die betroffenen Kommunen die oft schwierige Suche nach einem Anbieter, der die „Grabungsarbeiten“ erledigt. Weil Aufträge dieser Größenordnung europäisch ausgeschrieben werden müssen, vergeht selbst bei gutem Verlauf locker ein Jahr. „Darüber hinaus“, schreibt das zuständige Ministerium, „sind zurzeit die Baukapazitäten aufgrund des generellen Bauboom stark ausgelastet“.

In Baden-Württemberg bisher nur wenige Anträge auf Förderung gestellt

Für ein wenig Entlastung will Scheuer nicht nur mit seiner im August entschlackten Förderrichtlinie sorgen, sondern auch damit, dass bald eigene lokale Initiativen – „Buddelvereine“ nennt der Minister sie – in den Genuss der Breitbandausbauförderung sollen kommen können. Ob das in Baden-Württembergs ländlichen Räumen den Umschwung bringt? Beim Anteil der Haushalte mit mehr als 50 Mbit/s liegt der Südwesten mit 83,5 Prozent aktuell leicht über dem Durchschnitt. Bei den Förderprogrammen dagegen ist das Bundesland, in dem immerhin 13 Prozent aller Bundesbürger leben, deutlich unterrepräsentiert. 42 Förderbescheide für baden-württembergische Kommunen wurden bisher ausgestellt – das sind nur rund sechs Prozent aller bundesweit bewilligten.

Ganze vier Beschleunigungsvorhaben, in Emmendingen, Eschbronn, dem Main-Tauber-Kreis und in Rottweil, sind „endgültig bewilligt“ - ein Anteil von etwa vier Prozent. Noch schlechter sind die Werte beim Anteil an den neu zu erschließenden Haushalten und der Fördersumme, die mit 74,1 Millionen Euro gerade einmal zwei Prozent von Scheuers Fördertopf ausmacht. In dessen Ministerium wird einerseits auf die schwierige topografische Lage verwiesen, aber auch darauf, dass der Südwesten in gewisser Weise Opfer des eigenen Erfolges sei. Wegen der hohen Verbreitung von Kabelanschlüssen gebe es eine „starke Grundversorgung“, doch sei eine zusätzliche staatliche Förderung bei vorhandenen Geschwindigkeiten von 30 Megabit pro Sekunde nach europäischem Wettbewerbsrecht verboten - Scheuer verhandelt derzeit mit der Brüsseler EU-Kommission darüber, dass sich daran etwas ändert.