Glasperlenspiel haben in den Wagenhallen mit elektronischem Partypop für gute Laune gesorgt. An seinen Versen auf Poesiealbumniveau könnte das Duo vom Bodensee aber noch etwas feilen.

Stuttgart - Worum es beim Konzert von Glasperlenspiel geht, macht Carolin Niemczyk schon gleich zu Beginn ihres Auftritts klar. Man sei gekommen, „um ein bisschen Party zu machen“, erklärt die Sängerin den eintausendeinhundert Fans in den sehr gut besuchten Wagenhallen. Dieses Versprechen setzt das Elektropopduo vom Bodensee in den folgenden knapp zwei Stunden Punkt für Punkt um. Party? Absolut – aber mehr als ein bisschen gute Laune ist auch nicht drin an diesem Abend. Dabei inszenieren Niemczyk und ihr Partner Daniel Grunenberg ihren Auftritt ohne Frage sehr professionell.

 

Wohlkalkulierter Charme

Deutlich erkennbar haben die beiden Glasperlenspieler und ihre Mitstreiter an Schlagzeug, Bass, und Gitarre sowie eine weitere Begleitsängerin und -tänzerin vor Beginn ihrer „Licht & Schatten“-Tournee viel Zeit im Proberaum verbracht – jede Geste, jede Pose ist hier gut einstudiert. Doch Niemczyk, Grunenberg & Co. rufen ihr musikalisches und darstellerisches Repertoire auf so berechenbare Weise ab, als würde die Band gerade zu einem Videodreh antreten: professionelle Performance ja – abwechslungsreiches, von Spontaneität getragenes Livekonzert nein. Dabei mangelt es nicht an Publikumsnähe. Permanent interagiert Niemczyk mit ihren Fans, flicht mit wohlkalkuliertem Charme jede Menge Animationselemente ein, fordert zum Gruppentanz auf oder zoomt mit einer Filmkamera in den Saal hinein, um Kussszenen unter den Besuchern zu arrangieren. Je länger der Abend, desto anbiedernder wirken diese Intermezzi allerdings –und zudem so, als trauten Glasperlenspiel dem Unterhaltungsfaktor ihrer Songs selbst nicht ganz über den Weg. Und tatsächlich zieht diese Musik mit dynamischen Beats, geschmeidigen Keyboardsounds und höchst traditionellen Gitarrenrockklängen zwar eingängig, aber auch sehr überraschungsarm und aufdringlich Mainstream-nah ihre Kreise.

Verse auf Poesiealbumniveau

Zu mehr als ein paar oberflächlichen Klangfarbentupfern in Form von einigen Takten Disco-Funk, ein bisschen Dancehall und einem Schuss Rap mag sich das Duo Niemczyk & Grunenberg bisher jedenfalls nicht durchringen. Und selbst wenn Glasperlenspiel versuchen, eine ermattete Liebe mit frankophiler Fantasie aufzuladen wie in „Paris“ (vom 2015er-Album „Tag X“), bleiben sie ihrem aufgemotzten Elektropop treu – nach Paris klingt da gar nichts. Aber immerhin: Den größten Hit „Geiles Leben“, den sich Glasperlenspiel selbstverständlich bis zur Zugabe aufheben, gibt es hier nicht nur mit fluffigen Beats und Keyboardssounds zu hören, sondern auch als eine Art Dancerock-Variation. So könnte man nach knapp zwei Stunden seinen Frieden machen mit diesem bisschen Partypop – wären da nicht noch die Texte. An belangsloser Befindlichkeitspoesie wimmelt es derzeit ja förmlich in der deutschen Popszene, von daher gelten auch für die Zeilen von Glasperlenspiel lediglich die genreüblichen Maßstäbe. Wer sich allerdings nach dem opus magnum von Hermann Hesse benennt, legt die Latte schon ziemlich hoch und sollte bei Versen auf Poesiealbumniveau („Ich bin ich | ich bin ich auf meine Weise | ich bin ich | manchmal laut und manchmal leise“) eigentlich die hausinterne Qualitätskontrolle aktivieren.