Politische Bekenntnisse gibt es viele, die Erfolge sind bisher nur mäßig: Die Zahl der Frauen, die in deutschen Firmen Spitzenpositionen innehalten, hat in jüngster Zeit sogar abgenommen.

Stuttgart - Aller Debatten um die Frauenquote zum trotz ist die Zahl von Frauen in Führungspositionen deutscher Unternehmen gesunken: von sechs Prozent im Jahr 2013 auf 5,4 Prozent Ende Juni dieses Jahres. Unter Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Montag in Berlin nun mit dem Netzwerk „Chefsache“, eine Initiative aus Wirtschaft und Wissenschaft gegründet, die mehr Frauen in Führungsverantwortung bringen möchte. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Unternehmen wie Bosch, Allianz, Bayer und IBM, aber auch das Verteidigungsministerium und die Fraunhofer-Gesellschaft.

 

„Seit einigen Wochen haben wir eine gesetzliche Frauenquote. Aber auch das beste Gesetz wird seine Wirkung nur voll entfalten können, wenn auch der gesellschaftliche Wille dahintersteht“, sagte die Bundeskanzlerin. Für sie ist das Netzwerk Ausdruck dieses gesellschaftlichen Willens. Die Initiative hat zum Ziel, Führungskräfte für die Förderung von weiblichen Talenten zu sensibilisieren und dafür zu sorgen, dass Frauen einen größeren Anteil an Vorstandsposten einnehmen.

Merkel lobt das Modell der Elternzeit

Angela Merkel betonte, dass das Modell der Elternzeit bereits dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trage, aber dass das noch nicht alles sei. In Deutschland sei womöglich noch etwas stärker als in anderen Ländern der Gedanke verankert, dass zum Chefsein unbedingte Verfügbarkeit dazugehöre. Dabei sei es genauso gut vorstellbar, auch anspruchsvolle Aufgaben in Teilzeit zu machen, so die Bundeskanzlerin.

Derzeit fehlt es allerdings noch an einem ausgeprägten Willen solche Modelle zu erproben, wie die Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zeigt. Allein im vergangenen halben Jahr wurden zehn neue Vorstandsstellen geschaffen. Die Zahl der weiblichen Führungskräfte ist mit 36 seit Jahresanfang jedoch konstant geblieben. 2013 waren noch 40 von 668 Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Für die EY-Studie wird jedes halbe Jahr die Führungsstruktur von 160 börsennotierten Firmen ausgewertet.

Vorstandsetagen bleiben männliche Monokulturen

„In den deutschen Vorstandsetagen hat sich unterm Strich wenig getan. Sie bleiben männliche Monokulturen“, sagt Ana Cristina Grohnert, Studienautorin und Managing Partner bei EY. Einzige Ausnahme sind die 30 Dax-Unternehmen. Dort ist der Anteil weiblicher Vorstände seit 2013 von 6,9 auf 7,8 Prozent gestiegen. Bei den Unternehmen im M-Dax, also den mittelgroßen an der Börse gelisteten Firmen, ist die Zahl weiblicher Vorstände dagegen von 3,9 Prozent im Jahr 2013 auf 2,6 Prozent in diesem Jahr gesunken. Auch bei den Technologieunternehmen sank der Anteil weiblicher Führungskräfte auf 3,8 Prozent.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um das Thema Förderung von weiblichen Führungskräften sei das enttäuschend, sagt Grohnert. Es gebe aber durchaus auch einige ermutigende Signale. So hätten sich Frauen in allen Vorstandsbereichen etablieren können, insbesondere auf operativer Ebene. 40 Prozent aller weiblichen Führungskräfte verantworten Bereiche des laufenden Geschäftes wie Einkauf und Produktion.

Mit Anke Schäferkordt, der Geschäftsführerin der RTL Group, gibt es aber weiterhin nur eine weibliche Konzernchefin in Deutschland. Auch bei der Nachwuchsförderung zeige sich, dass die Unternehmen umdenken, hat Grohnert festgestellt. „Auch wenn dieser Prozess nicht von heute auf morgen gelingt, früher oder später werden diese Bemühungen, Früchte tragen“, sagt die Studienautorin.

Belege für dieses Umdenken finden sich auch bei den Gründungsunternehmen des Netzwerks „Chefsache“. Beim Versicherungskonzern Allianz beispielsweise ist vorgeschrieben, dass in allen Entwicklungsprogrammen für höhere Führungspositionen 30 Prozent Frauen vertreten sein müssen. Bosch hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 den Anteil von Frauen in Führungspositionen auf 20 Prozent zu steigern. Die Caritas hat ein Fortbildungskonzept und ein Mentoring-Programm für weibliche Nachwuchskräfte entwickelt und zudem ein Netzwerk für Caritas-Führungsfrauen ins Leben gerufen.