A bisserl Luxus muss schon sein, selbst wenn die Maske des Mammons zuweilen entlarvt wird.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Selten war der Kauf eines simplen 39-Cent-Joghurts beim Rewe in Esslingen so sehr verunglückt wie vorige Woche. Wie konnte das geschehen, dass ich stattdessen eine Sushi-Box für 7,50 Euro in Händen hielt?

 

Und als ich loszog, um mir wie immer den garantiert billigsten Kaffee der Stadt im Kochlöffel zu besorgen, fand ich mich in der Bar der Kessler-Sekt-Manufaktur wieder. Neben mir ein Mann mit Silberbrille, Lederhandschuhen und einem wadenlangen Leopardenpelzmantel, der mit einer Dame sprach, durch deren Ohrringe hätte ein Albatros fliegen können. Gegenüber ein japanischer Geschäftsmann, der gerade die Hugo Boss AG in Metzingen erwerben wollte. Er hatte das Thema Fabrikverkauf wohl zu wörtlich genommen. Noch lange dachte ich über diese Verirrungen nach, während ich gebackene Otternasen futterte, die mir irgendwie zwischen die Kartoffelchips geraten waren.

Das Domizil des Grafen Degenfeld

Woran es lag, erfuhr ich ausgerechnet am Wochenende darauf auf der Schwäbischen Alb. Wollte bei Geislingen das Felsentäle hinabsteigen, Richtung Eybach, weil mich das Domizil des Grafen von Degenfeld, der daselbst ein Schloss besitzt, unerklärlich anzog. In der Krone wurde ich beim Cordon Bleu à la maison du consul en dialogue avec la mode de senator – bestellen wollte ich eigentlich einen Wurstsalat – angesprochen von einem sehr biederen Mann.

Ob die Edelkarosse da auf dem Parkplatz meine sei? Das sei doch bloß ein Toyota, erwiderte ich. Da stehe aber ES auf dem Kennzeichen, beharrte er. Ja, Esslingen, sagte ich, na und? Aha, meinte mein Gegenüber. ES gleich Edel-Schwabe, hieße das bei ihnen auf der Alb und prustete vor Lachen. Da fiel es mir wie Kaviarschuppen aus den Meeräschenaugen. ES gleich Edel-Schwaben. Jahreswagen vom Daimler, Besuche im Casino von Stuttgart International, Logenplätze beim VfB. Das alles stand für Esslingen, und ich war hier im Kreis geboren, Opfer meiner goldenen Gene, Kind der goldenen Generation.

Sushi mit Blauwalfüllung

Wie hatten wir früher gespottet: Gott schütze mich vor Eis und Schnee, vor TÜ, BL und vor RT, wenn die wackere Landbevölkerung mit ihren aufgemotzten Mantas durch Esslingen rauschte, weil sie noch nie einen McDonalds gesehen hatte.

Der Fluch der bösen Tat von damals kehrte zurück. Am nächsten Tag versuchte ich es gar nicht erst mit Joghurts der Handelsmarke „Ja“, sondern kaufte gleich die Sushi-Familienpackung mit Blauwalfüllung. Das beigelegte Wasabi-Tütchen aber studierte ich länger. Ich las, dass die Hauptbestandteile der grünen Tunke heimischer Meerrettich war, Salz sowie die Farbe Brillantblau und viele andere Dinge aus dem Kosmos-Chemie-Kasten. Wasabi war übrigens auch drin, etwa 1,6 Prozent.

Und ich erkannte, dass aller Mammon der Welt doch nur Theater und Spiegeltrick ist. Das heilte. Auf die Frage nach Sekt oder Selters kommt mir heute wieder mein Autokennzeichen in den Sinn. ES gleich: eher Selters.