Die Niederlage der DFB-Auswahl verkraftet nicht jeder. Bei manchem Enttäuschten blickt man in einen Abgrund. Eine Glosse von StZ-Kulturchef Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Unsere ruhige Wohnstraße in Heslach (auf der linken, der nicht-so-vornehmen Talseite) ist sehr multikulturell. Und unsere zahlreichen deutschitalienischen Nachbarn hatten am Donnerstag viel zu jubeln, zu feiern. Erst zwei Tore, dann Daumendrücken, dann der Schlusspfiff, viele „Italia! Italia!“-Rufe am offenen Fenster – und ab in die Autos zum Autokorso in der Stadt. Uns Fans der DFB-Auswahl ließen sie traurig zurück. Aber so ist das Spiel. Und das italienische Spiel war ja zweifellos verdient mit einem Sieg belohnt worden. Da muss man halt durch.

 

So kam also die dunkle Stuttgarter Nacht: halb oben die stille Wohnstraße, tief drunten in der Ferne das Hupkonzert. Nur einer in der Nachbarschaft konnte die Ruhe nicht lange ertragen. Mit einem Megafon stellte er sich unsichtbar irgendwo ans Fenster und bescherte der Welt seine Art von Humor: „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Alle Italiener sofort anstellen für die Gaskammern.“ Vorgestern haben wir hier geschrieben, die junge deutsche Fußball-Nationalmannschaft ermögliche uns allen ein unbeschwertes schwarz-weiß-rotes Selbstbewusstsein. Tja, so schnell wird man über seine Thesen wieder nachdenklich. Zum Glück haben unsere italienischen Nachbarn die beschämende Szene nicht miterlebt. Sie waren ja gerade beim Feiern. Italia!