Zehn Jahre lang hat ein spielsüchtiger Mann tausende Euros verloren. Die Ursache sieht er im Nachhinein in der mangelnden Aufarbeitung persönlicher Probleme. Foto: Stoppel

Waiblingen - Es war ein Leben voller Heimlichkeit, ein Leben, das irrsinnige Mengen von Zeit und Geld gekostet hat. Zehn Jahre lang hat ein jetzt 32-jähriger Mann viele Stunden täglich mit Glücksspielen verschiedenster Art verbracht. Er hat im Internet, im Casino und in Pokerrunden im Laufe der Zeit einen Betrag von 150 000 Euro verloren, wie er selbst schätzt. Erst im vergangenen August gelang es ihm, sich mithilfe einer Selbsthilfegruppe des Waiblinger Kreisdiakonieverbandes aus der Sucht zu lösen. „Es ging mir eigentlich nie um das Gewinnen“, sagt er. „Das Spielen hatte viel mit der Art zu tun, wie ich mit persönlichen Problemen umgegangen bin.“

 

Glücksspiele hätten ihn immer gereizt, bereits auf dem Schulhof habe er mit anderen Kindern „Fuchsen“ gespielt. Dabei geht es darum, Münzen so gegen eine Wand zu werfen, dass sie in möglichst geringem Abstand liegen bleiben. Mit elf Jahren brachten ihm Freunde Black Jack bei, mit 16 folgte das Automatenspiel, und als 21-jähriger Student saß er zum ersten Mal am Roulettetisch.

Im Nachhinein verstehe er diese Steigerung, sagt der 32-Jährige. Jedes dieser Lebensjahre sei mit einem Verlust oder einem Einschnitt verbunden gewesen, etwa mit schulischen Misserfolgen, bösen Worten seiner Eltern oder schließlich dem tragischen frühen Tod seiner Mutter. Das Glücksspiel war für ihn der Weg, sich von diesen Problemen abzukapseln. „Als Spieler leben Sie wie in einer Blase.“

Zum Ausbruch gekommen sei das Problem, als er in seiner Studentenzeit Zugang zu Casinos bekam. Ein Drang, für den er lange Anfahrtswege in Kauf nahm, um keinen Bekannten zu begegnen. Anfangs habe er am Roulettetisch mit viel Risiko gespielt, teilweise aber auch viel gewonnen. Er habe jedoch Probleme gehabt, rechtzeitig mit dem Spielen aufzuhören. „Ich bin heute noch der Meinung, dass man mit Roulette seinen Lebensunterhalt verdienen kann“, sagt er. „Aber ich bin nicht der Richtige dafür.“

Am Ende ging die Abhängigkeit weit über die Casinos hinaus: Um seine Spielsucht vor der Lebensgefährtin zu verbergen, nutzte er Online-Poker im Internet. Wollte er am Kneipenautomaten spielen, behauptete er, länger arbeiten zu müssen. „Ich glaube, dass das meine Freundin gemerkt hat“, sagt der Mann. Die Beziehung sei letztendlich in die Brüche gegangen. Diesem Einschnitt gewinnt der 32-Jährige im Nachhinein Positives ab. Dadurch hätten seine Geschwister von der Sucht erfahren – und ihm geholfen, die Therapie zu beginnen. Nach den Einzelgesprächen habe er verstanden, dass er Hilfe brauche. „Ich habe früher immer so getan, als wüsste ich alles, und hätte alles im Griff.“

Von den Spielautomaten hält er sich nun fern. Er ist überzeugt davon, dass von den Geräten eine große Gefahr ausgeht. Es seien mit den Jahren immer mehr Automaten in die Gaststätten gelangt, erzählt er. Allein in seiner kleinen Heimatgemeinde gebe es mittlerweile gut 20 solcher Geräte. Trotz kleinerer Einsätze und limitierter Gewinnauszahlungen seien darin perfide Mechanismen eingebaut. „Man denkt, man gewinnt – auch dann, wenn man verliert“, sagt er. Von neuen Vorschriften für die Spielhallen-Angestellten hält er wenig: „Da können Sie genauso gut Stallhasen schulen“, sagt er: „Niemand kümmert sich um die Spieler.“

Nun aber hat er seinen Weg aus der Sucht gefunden. Seine Schulden seien überschaubar, er arbeite sie zurzeit ab. Eine Änderung sei jedoch, dass er ohne die Spielsucht viel mehr Zeit habe. Man müsse sich nun neue Beschäftigungen suchen, sagt er. Was ihm hilft, das ist seine Familie.

Für Menschen mit problematischem Glücksspielverhalten und deren Angehörige bietet der Kreisdiakonieverband Rems-Murr Hilfen an. Eine Orientierungsgruppe für Menschen mit problematischem Glücksspiel trifft sich regelmäßig dienstags zwischen 17.30 Uhr und 19 Uhr. In Kürze soll eine Rehabilitation für pathologische Glücksspieler eingerichtet werden.