Das Zocken an Automaten, Spieltischen und im Internet kann süchtig machen und die Betroffenen zerstören. Inzwischen sind immer mehr Kinder und Jugendliche gefährdet.

Glücksspielsucht ist ein ernst zu nehmendes Problem, auch in Deutschland. Rund 40 Prozent der 16- bis 70-Jährigen zocken nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin an Automaten, Spieltischen, in Wettbüros, am Computer, Handy oder Tablet. Eine halbe Million ist bereits süchtig. Männliche Erwachsene bis 25, mit eher niedrigem Einkommen oder mit Migrationshintergrund gehören dabei zur größten Risikogruppe. Das zeigen Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

 

Hohes Suchtrisiko beim Online-Spiel

Der Markt ist riesig. Allein mit Sportwetten setzten die legalen Anbieter 2022 rund zehn Milliarden Euro um. Tendenz steigend. Vor allem Onlineglücksspiel ist dabei nach Angaben der Experten mit einem erhöhten Suchtrisiko verbunden. Im Internet kann schließlich immer und überall gezockt werden.

Laut BZgA spielt jeder fünfte Onlinezocker exzessiv oder ist in eine Abhängigkeit gerutscht. „Durch die allgegenwärtige Werbung werden auch Kinder und Jugendliche schon früh an das Thema herangeführt“, kritisiert Steffen Otterbach, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Uni Hohenheim in Stuttgart. Die Konsequenz könne eine „Normalisierung von Glücksspiel“ sein.

Bedenklich ist zudem, dass Kinder und Jugendliche inzwischen auf zahlreichen Kanälen der Glücksspielwerbung ausgesetzt sind – und darauf auch deutlich positiver ansprechen als Erwachsene, wie eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlers Raffaello Rossi von der Uni Bristol in Großbritannien zeigt. Besonders E-Sport-Wetten und Content Marketing lösen laut Rossi bei unter 25-Jährigen starke positive Emotionen hervor.

Influencer locken Kinder und Jugendliche

„Zwar ist die Teilnahme an Glücksspielen in Deutschland erst ab 18 erlaubt“, erklärt Andrea Wöhr, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle in Hohenheim. Influencer vermittelten ihren – oft sehr jungen – Followern jedoch immer häufiger, dass Glücksspiel „ein völlig harmloses und Spaß bringendes Hobby ist“. So wird laut Experten oft der Gedankengang ausgelöst: „Wenn der das gut findet, dann muss das ja gut sein.“

Eine Studie des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) an der Uni Hamburg hat denn auch ergeben, dass Kinder und Jugendliche (bis 17) trotz aller Verbote „in nicht geringem Umfang“ am Glücksspiel teilnehmen. Anders als bei Alkohol und Tabak nehme der Konsum bei jungen Leuten deutlich zu. „Die Problematik wird von Lehrkräften nur teilweise wahrgenommen und selten im Unterricht thematisiert“, so Philipp Hiller vom ZIS. Auch Eltern unterschätzten meist die Gefahren.

Eigenständige Krankheit

Glücksspielsucht ist in Deutschland als eigenständiges Krankheitsbild innerhalb der psychischen Störungen anerkannt. Es besteht somit ein Anspruch auf von den Kassen und Rentenversicherungen finanzierte ambulante, stationäre und Nachsorgeleistungen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Spielsucht inzwischen als Krankheit eingestuft. Die Betroffenen haben keine Kontrolle mehr über ihr Spiel, verstricken sich in Lügengeflechte und zerstören so Beziehungen. Oft endet die Sucht im finanziellen Ruin – und mit sozialer Isolation.

Der Staat versucht zwar seit Jahren, das Glücksspiel gesetzlich zu regeln, doch auch am aktuellen Staatsvertrag üben Experten Kritik. Etwa daran, dass der Staat kräftig mitverdient. 2022 kamen durch Lotterie-, Sportwetten-, Online-Poker- und virtuelle Automatensteuern 2,56 Milliarden Euro zusammen – zehn Prozent mehr als 2021. Was vor allem an der Zunahme des Onlineglücksspiels liegt.