Nach vier Jahren ist die Frage, ob die Stadt ein neues Krematorium baut und wer es betreibt, weiterhin offen. Viele Stadträte werfen der Verwaltung vor, sie hinzuhalten. Zu allem Überfluss ist die Kremation inzwischen ein umkämpfter Markt.

Göppingen - Die Stadt Esslingen hat es vor einigen Jahren aufgegeben, Leinfelden-Echterdingen war ebenfalls kurz davor – nur in Geislingen, Stuttgart und Ludwigsburg scheint der Betrieb kommunaler Krematorien in der Region Stuttgart dauerhaft ohne größere finanzielle Schwierigkeiten zu laufen. Seit auch private Betreiber Leichen einäschern dürfen, ist aus dieser Form der Bestattung ein umkämpfter Markt geworden. Hinzu kommen immer strengere rechtliche Vorgaben. Trotzdem oder gerade deswegen wollen viele Göppinger Stadträte das städtische Krematorium nicht so ohne weiteres aufgeben – und liegen inzwischen im Clinch mit der Stadtverwaltung, der sie vorwerfen, das Gremium seit Jahren hinzuhalten.

 

Das bereits im Jahr 1911 gebaute Krematorium auf dem Göppinger Friedhof musste vor vier Jahren wegen technischer Defekte stillgelegt werden. Der Gemeinderat beschloss ein Jahr später, es zu erhalten, doch laut der Stadtverwaltung lohnt sich eine Sanierung nicht. Deshalb beschloss das Gremium vor zweienhalb Jahren einen Neubau neben dem Friedhofsgelände. Doch das Projekt kommt nicht voran.

Stadträte wollen Pietät sicherstellen

Gespräche mit lokalen Bestattern, denen die Verwaltung anbot, das Krematorium mit ihr zusammen zu betreiben, stießen offenbar auf wenig Interesse. Den Wunsch der Gemeinderäte, das Krematorium erneut kommunal zu betreiben, lehnt die Stadtverwaltung wegen rechtlicher Bedenken ab. Der Vorschlag aus dem Rathaus, einen privaten Investor zu suchen, stößt wiederum bei den Stadträten auf wenig Gegenliebe. Denn sie wollen sicherstellen, dass der Betrieb pietätvoll abläuft und keine Pauschalen an Bestatter bezahlt werden, wie das mancherorts üblich ist.

Im Sommer hatte die Stadtverwaltung vorgeschlagen, einen privaten Investor für das bereits beschlossene Baugrundstück neben dem Friedhof suchen. Die Stadt argumentierte, eine Nachfrage beim Regierungspräsidium habe ergeben, dass ein neues kommunales Krematorium vermutlich nicht zulässig sei. Denn in den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass die Aufgabe von privaten Betreibern übernommen werden könne. Tatsächlich werden Verstorbene aus Göppingen seit der Stilllegung meist im städtischen Krematorium in Geislingen oder in einem privaten in Schwäbisch Gmünd eingeäschert. Und Kommunen dürfen nach dem Subsidiaritätsprinzip eigentlich nur Aufgaben übernehmen, für die es ein öffentliches Interesse gibt und die nicht von privaten Unternehmen übernommen und angemessen erledigt werden können.

Im Januar wird weiterdebattiert

Viele Stadträte vermuten allerdings, dass es sich die Stadt zu einfach gemacht hat. Sie sehen durchaus ein öffentliches Interesse an einem städtischen Krematorium. Die Grünen haben deswegen ihrerseits eine Anfrage an das Regierungspräsidium gestellt. Aus der Antwort lesen die Fraktionen zumindest eine Chance heraus, doch eine Genehmigung zu bekommen, sofern die benachbarten Kommunen keine Einwände haben. Denn laut der Stadtverwaltung müsste ein Krematorium mindestens 1000 Einäscherungen im Jahr vornehmen, um wirtschaftlich zu sein. In der Stadt allein fallen im Jahr aber nur etwa 400 an.

Die Freien Wähler (FWG) bestehen darauf, das Thema Krematorium in der ersten Gemeinderatsitzung im neuen Jahr auf die Tagesordnung zu setzen. Ein Mitarbeiter des Regierungspräsidiums soll die rechtliche Situation dann noch einmal genau erläutern. Außerdem soll die Verwaltung noch in diesem Jahr in einem mündlichen Bericht Stellung zu dem Thema nehmen.

„Wir sind es leid, uns hinhalten zu lassen“, sagt der FWG-Fraktionschef Emil Frick. Der Stadtsprecher Olaf Hinrichsen hält dem entgegen, die Stadt habe den Gemeinderat bereits vor der Sommerpause „umfassend informiert“ und nehme die Kritik deswegen „mit wenig Verständnis zur Kenntnis“. Frick wiederum lässt das nicht gelten. Die Stadt habe sich auf die Lösung mit einem privaten Betreiber versteift, die Wünsche des Gemeinderats nach Alternativen seien bisher nicht genug berücksichtigt worden.

Ein Blick in die Region

Schließung
Der Markt der Einäscherung ist umkämpft. Das städtische Krematorium in Esslingen wurde geschlossen, weil sich eine Sanierung nicht mehr gelohnt hätte. In Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen)wurde vor einigen Jahren diskutiert, das Krematorium zu schließen, man entschied sich aber dagegen. Im Herbst wurde es erneuert, im kommenden Jahr folgen weitere Arbeiten. Ein städtischer Zuschuss für den Betrieb ist aber seit 2012 nicht mehr erforderlich.

Vorwürfe
Immer wieder wird berichtet, dass private Betreiber Bestattern eine Leichen-Transportpauschale bezahlen, um diese an sich zu binden. Kritiker empfinden dies als pietätlos. Die Stadt Ludwigsburg ist dennoch dazu übergegangen, ebenfalls 70 Euro pro Transport zu bezahlen, um ihr Krematorium auslasten und wirtschaftlich betreiben zu können.

Anbieter
In der Region Stuttgart gibt es ein privates Krematorium in Rutesheim (Kreis Böblingen) und vier städtische in Ludwigsburg, Leinfelden-Echterdingen, Stuttgart und Geislingen. Landesweit gibt es 25 Krematorien.