Die Stadt verspricht, die Faurndauer mithilfe eines Büros in die Debatte über ein Baugebiet im Dittlau einzubeziehen. Viele haben daran allerdings große Zweifel.

Göppingen - Was ist es denn nun, das am Mittwoch eröffnete Bürgerbüro Dittlau im Faurndauer Bezirksrathaus. Eine Möglichkeit für die Bürger in Faurndau, aus erster Hand alle Informationen über die Vor- und Nachteile eines Baugebiets im Gebiet Dittlau zu bekommen und sich selbst eine Meinung zu bilden? Oder ein Versuch der Stadt, mit jeder Menge Marketing und Verkaufsgesprächen vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor der Göppinger Gemeinderat überhaupt dazu gekommen ist, zu der Sache eine Entscheidung zu fällen? Die Antwort hängt, wie so oft, davon ab, mit wem man spricht.

 

Der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till, der den Gemeinderat und die Faurndauer Bürger mit seiner Idee von Bauplätzen im Dittlau vor einem Jahr völlig überraschte, sieht in dem Büro einen wichtigen Baustein für das „offene, transparente und bürgernahe Verfahren“, das man den Bürgern versprochen habe. „Wir haben schon in der ersten Bürgerinformation im November vergangenen Jahres in der Faurndauer Turnhalle die Einrichtung eines ortsnahen Bürgerbüros Dittlau angekündigt“, sagte Till bei der Eröffnung des Büros für geladene Gäste am Mittwochabend. Nun werde dieses Versprechen erfüllt. Der Oberbürgermeister sprach von einem „Begegnungsort“, an dem man mit den Bürgern ins Gespräch kommen wolle. Die Ergebnisse der vielen Gutachten, die die Stadt zu dem Baugebiet, auf dem bald 2000 Menschen wohnen sollen, beauftragt habe, würden für die kommenden Wochen erwartet und könnten dann im Bürgerbüro eingesehen werden.

Bürger ärgern sich über Werbefilm

Ganz anders sehen die Sache die Mitglieder der Schutzgemeinschaft Dittlau, die sich am Mittwochabend zu einer Mahnwache vor den Türen des Bezirksrathauses getroffen haben und auch am Donnerstag, als das Büro erstmals drei Stunden lang für die Bürger aufmachte, mit Plakaten vor der Rathaustüre ausharrten. Die Stadt, so schimpften sie, versuche, vollendete Tatsachen zu schaffen. Aus ihrer Sicht ist das Büro dazu da, Verkaufsgespräche mit Grundstückseigentümern zu führen und Werbung für das Projekt zu machen. Denn bekanntlich gehören die Flächen im Dittlau, die die Stadt bebauen möchte, zahlreichen Eigentümern, vor allem Landwirten.

Dass Till betonte, die Stadt habe kein extra Geld für das Büro ausgegeben und die beiden Räume auch nur „schwäbisch-sparsam“ möbliert, beruhigte die Bürger in keiner Weise. Sie ärgerten sich darüber, dass dort schon Kugelschreiber ausliegen, die mit den Worten „Familienwohnen Dittlau“ bedruckt sind – obwohl noch nicht beschlossen sei, dass im Dittlau gebaut werde. Noch wesentlich mehr ärgert sie, dass die Stadt sogar schon einen Werbefilm für das Wohnen im Dittlau produzieren ließ, der im Bürgerbüro vorgestellt wurde.

Schutzgemeinschaft macht sich für Baugebiet im Stauferpark stark

In dem Spot, den die Stadt demnächst auf ihrer Homepage freischaltet, wird Göppingen als lebendige, vielfältige Industriestadt mit modernen Arbeitsplätzen in herrlicher Landschaft vorgestellt, die dringend mehr Wohnraum braucht. Zu sehen ist unter anderem eine Familie auf den leuchtend grünen Wiesen oberhalb von Faurndau. „Ja super, das sind ja genau die Wiesen, die es dann nicht mehr gibt“, schimpfte ein Faurndauer, der sich den Film im Bürgerbüro anschaute. Die Umstehenden schüttelten ebenfalls die Köpfe.

Für das bereits viel diskutierte Problem der Wohnungsnot empfahl Jörg Krauß von der Schutzgemeinschaft Dittlau der Stadt, das Bürgerbüro in den Stauferpark zu verlegen und dort auf den Flächen des Golfparks zu bauen. Zum einen gehörten diese Grundstücke bereits der Stadt, zum anderen seien sie im Regionalplan bereits als Wohnbauflächen ausgewiesen. Die Stadt komme aus seiner Sicht auf diesem Weg wesentlich schneller an neue Bauplätze.

Naturschützer kritisieren Landschaftsverbrauch im Kreis

Flächenfraß:
In einem Brief an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) hat der Vorsitzende des Nabu im Kreis Göppingen, Wolfgang Rapp, den ungebremsten Landschaftsverbrauch im Kreis heftig kritisiert und dabei auch das Projekt Dittlau als Beispiel herangezogen. Rapp schreibt: „Die Städte und Dörfer überbieten sich im Ausweisen von Bauland und Industrieansiedlungen.“ Rapp, hinter dessen offenen Brief sich alle Naturschutzgruppen im Kreis gestellt haben, kritisiert, dass der Naturschutz und die Landwirtschaft bei der Abwägung, ob neue Baugebiete erschlossen würden, regelmäßig den Kürzeren zögen. Dabei seien Grund und Boden endlich. Tatsächlich sei in den vergangenen beiden Generationen mehr Boden verbraucht worden als in den 80 Generationen zuvor. Ein Ende des Baubooms sei nicht absehbar.

Beispiele:
Auf bestem Ackerland würden heute noch Supermärkte angesiedelt, etwa in Heiningen, schreibt Rapp weiter. Die Parkplätze der Supermärkte würden großflächig versiegelt wie in Wangen. Göppingen plane eine „Trabantensiedlung im Dittlau“. Circa 25 Hektar Ackerflächen und Grünland müssten dafür geopfert werden. Rapp verweist auch auf Projekte wie das acht Hektar große Baugebiet Weilenbergerhof III, das trotz massiver Proteste der Bürger gebaut werden solle. Für das Interkommunale Gewerbegebiet Strut (9,3 Hektar) solle einer der letzten freien Abschnitte der Fils zwischen Uhingen und Ebersbach mit bis zu 18 Meter hohen Hallen bebaut werden. Und Alberhausen plane, das Gewerbegebiet Eschle mit 4,2 Hektar zu erschließen. „Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen“, klagt Rapp.

Dittlau:
Bei einer Begehung des Dittlau mit Landwirten kam Rapp als Nabu-Vorsitzender zu dem Schluss, dass „so gute Ackerböden nicht mehr als Bauland verwendet werden“ dürften. Denn es handle sich um den besonders wertvollen Lössboden, für den auch die Filderebene bekannt sei. Unter Naturschutzgesichtspunkten seien die am Rande befindlichen Streuobstwiesen und kleinere naturnahe Areale in den Schrebergärten sehr wertvoll. Bei Begehungen von Nabu-Kollegen sei dort das ganze Spektrum der Vögel der Feldflur, Fledermäuse, Igel und Feldhasen gesichtet worden. Über Anbaumethoden, Fruchtfolgen und die Gestaltung der intensiv genutzten Feldflur mit Blühstreifen und Feldhecken müsse man mit den Landwirten diskutieren, „aber wir dürfen ihnen nicht ihre Ackerböden wegnehmen“, so Rapp.