Die Grünen sind jetzt mit 23,5 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion im Gemeinderat – doch sie sind sich noch nicht so sicher, ob ihnen das überhaupt etwas nützt. Denn Mehrheiten zu schmieden wird in der Stadt künftig schwieriger.

Göppingen - Gebannt beobachtet der CDU-Fraktionschef, Felix Gerber, am Montagnachmittag, wie sich die Zahlen aktualisieren. Seit 15 Uhr sitzen Stadträte, einzelne Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Bürger im großen Sitzungssaal des Rathauses und verfolgen, wie sich die ausgezählten Stimmen aus den einzelnen Wahlbezirken der Stadt nach und nach zu einem Ergebnis formen, das per Projektor an die Wand geworfen wird. „Jetzt haben alle Stimmen verloren – bis auf die Grünen und die AfD“, stellt Gerber nüchtern fest. So oft die Zahlen an diesem Nachmittag noch aktualisiert werden, dieses Detail wird sich nicht mehr ändern.

 

Egal, ob im bürgerlichen Lager bei der CDU (minus 8,1 Prozent), der FWG (minus 1,2) oder der FDP/FW (minus 1,7) oder auf der Seite der SPD (minus 4,6), der Linken (minus 0,4) oder der Piraten (minus 0,4) – fast alle Fraktionen mussten Verluste hinnehmen. Für Piraten, Linke und FDP/FW hat sich allerdings nichts an der Zahl ihrer Sitze geändert. Eingesackt haben die Stimmen die Grünen (plus 6,1 Prozent), die nach dieser Wahl zum ersten Mal die stärkste Fraktion im Göppinger Gemeinderat sind, sowie die AfD, die mit 10,3 Prozent der Stimmen auf Anhieb vier Sitze erobert hat.

Die AfD könnte künftig das Zünglein an der Waage werden

„Das ist natürlich eine schöne Bestätigung für uns“, kommentiert der Grünen-Chef Christoph Weber das Ergebnis. So richtig freuen kann er sich trotzdem nicht. „Ich frage mich schon, mit wem wir in Zukunft eigentlich abstimmen sollen“, erklärt er. Schließlich habe die SPD, mit der man bisher häufig an einem Strang gezogen habe, zwei Sitze verloren. Insgesamt stehe man also womöglich in Zukunft nicht wesentlich besser da als bisher.

Tatsächlich rechnen alle Fraktionen damit, dass es künftig nicht einfacher wird, in Göppingen Mehrheiten zu schmieden. Um ihre Vorstellungen durchzusetzen, sind die Fraktionen künftig noch mehr als bisher darauf angewiesen, Bündnisse mit anderen einzugehen. Die AfD könnte da mit ihren vier Stimmen bei so mancher Abstimmung zum Zünglein an der Waage werden. Und so mancher Stadtrat fragt sich hinter vorgehaltener Hand auch, was die Neuzugänge für das ohnehin häufig angespannte Klima in dem Gremium bedeuten werden.

Fraktionen zeigen sich trotz der Verluste gefasst

So zurückhaltend der Jubel bei den Grünen ausfällt, so gefasst geben sich die anderen Fraktionen angesichts ihrer Verluste. Denn besonders überrascht ist im großen Sitzungssaal niemand. Schließlich haben die Ergebnisse der Europawahl und der Regionalwahl schon gezeigt, wohin der Trend geht. Grün sei der neue Mainstream, witzelt der Oberbürgermeister Guido Till (CDU) denn auch.

„Ich habe damit gerechnet, dass ich es nicht mehr in den Gemeinderat schaffe“, sagt die bisherige SPD-Stadträtin Claudia Rassi, und auch das SPD-Urgestein Klaus Wiesenborn gibt sich gelassen. Nach all den Jahren sei es in Ordnung, wenn andere ans Ruder kämen. Auch Dorothea Stephan hat es nicht mehr geschafft. Der Kinderarzt und Neuling auf der SPD-Liste, Hue Tran, hat mehr Stimmen erhalten.

Die CDU muss künftig ohne ihren Bau-Experten auskommen

Die CDU muss künftig ohne Achim Fehrenbacher, Klaus Fischer und Ingo Hagen auskommen. Alle drei sind erfahrene Kräfte. Speziell Fehrenbacher hat die Fraktion mit seinem Expertenwissen als Architekt bei vielen Projekten unterstützt. Mit dem früheren langjährigen Geschäftsführer von Haus und Grund Göppingen, Jürgen Schaile, verliert die FDP einen ausgewiesenen Experten für den Immobilienmarkt in der Stadt und mit Horst Wohlfahrt zudem einen Bauingenieur. Dafür ist mit Till Herwig ein bekannter früherer Stadtrat erneut in ihren Reihen. Außerdem sitzt der Inhaber des beliebten Cafés Berner, Mathias Bidlingmaier, künftig für die FDP im Gemeinderat.