Wie fast überall haben Grüne und AfD zugelegt, CDU und SPD hingegen Stimmen verloren. Der größte Verlierer sind aber die Frauen. Ihr Anteil in dem Gremium sinkt auf 20 Prozent. Mit 30 Prozent war er bisher der höchste im Land.

Göppingen - Haben sich die großen politischen Grabenkämpfe im Kreis Göppingen, etwa um die Verbrennungsmengen im Müllheizkraftwerk, das Abfallkonzept oder die Zukunft des Nahverkehrs, nun auf das Wahlergebnis ausgewirkt? Klar ist, das Ergebnis der Kreistagswahl unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht wesentlich vom Landestrend: Die Grünen haben zugelegt (plus 5,7 Prozent), die AfD hat auf Anhieb fast zehn Prozent der Stimmen errungen und die CDU (minus 10,8) musste Federn lassen. Weniger deutlich fällt der Abwärtstrend der Etablierten bei der SPD (minus 2,6 Prozent) und den Freien Wählern (minus 1,2) aus. Für die FDP (plus 0,2 Prozent) und Die Linke (minus 0,3) hat sich praktisch nichts verändert.

 

Dennoch bleibt die CDU mit 24,6 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion. Doch auf Platz zwei haben die Grünen (19,5 Prozent) erstmals die Freien Wähler (19,3 Prozent) überrundet. Die SPD liegt mit 15,9 Prozent auf Platz vier, gefolgt von AfD, FDP und der Linken.

Guido Till wird erneut Stimmenkönig

Auf den zweiten Blick scheint zumindest der Streit um die Erhöhung der Verbrennungsmengen im Müllheizkraftwerk für einzelne Mitglieder der CDU Folgen gehabt zu haben: So ist der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till (11 333 Stimmen) trotz der Verluste seiner Partei erneut mit Abstand Stimmenkönig geworden. Er hat sogar mehr als 600 Stimmen hinzugewonnen. Auch der Chef der Göppinger CDU-Gemeinderatsfraktion, Felix Gerber, hat mit 5862 Stimmen eine deutliche Bestätigung seiner Wähler bekommen. Er hat sogar mehr als 2300 zusätzliche Stimmen gewonnen.

Till und Gerber hatten sich – entgegen der Fraktionslinie – vehement gegen eine Erhöhung der Verbrennungsmengen ausgesprochen und gegen ihre Fraktion gestimmt. Gerber hatte, ebenso wie Christian Stähle von der Linken, sogar gegen die Entscheidung des Kreistags geklagt, weil die Sitzung aus seiner Sicht so chaotisch abgelaufen war.

Die Politik im Kreis wird deutlich männlicher

Vor allem die CDU-Vertreter des Oberen Filstals, etwa der Geislinger Stadtrat Hans-Peter Maichle, oder die Landtagsabgeordnete Nicole Razavi, die im Bezirk Eislingen antrat, mussten Einbußen bei der Stimmenzahl hinnehmen. Viele Kreisräte und Bürger hatten in ihnen die treibende Kraft für das „Ja“ zur Erhöhung der Verbrennungsmenge gesehen. Der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rapp schaffte es noch gerade so in das Gremium. Der Kreisvorsitzende der CDU, der Geislinger Stadtrat Kai-Steffen Meier, schaffte den Einzug in den Kreistag nicht. Für die SPD, die nach anfänglichem Zögern ebenfalls mehrheitlich für die Erhöhung gestimmt hatte, scheint dies hingegen keine Auswirkungen zu haben.

Insgesamt wird die Politik im Kreis Göppingen auf jeden Fall wohl deutlich männlicher: Der Anteil der Frauen im Kreistag ist um zehn Prozentpunkte auf nur noch 20 Prozent gesunken. Der bisherige Spitzenplatz im Land beim Frauenanteil ist damit wohl dahin. Allein bei den Grünen sind beide Geschlechter auch künftig zumindest einigermaßen gleichmäßig vertreten: Von den 13 Mandaten sind fünf in Frauenhand.

AfD künftig mit sechs Sitzen im Kreistag

Die Bemühungen der SPD, Frauen und Männer auf ihren Wahlvorschlägen möglichst abwechselnd aufzulisten, scheint hingegen wenig genützt zu haben: Nur drei der elf Sitze sind an Frauen gegangen. Offensichtlich haben auch viele Wählerinnen kein Interesse daran gehabt, anderen Frauen ihre Stimme zu geben.

Vollends männlich dominiert ist das bürgerliche Lager: Bei den Freien Wählern sind nur zwei der 14 Kreisräte weiblich, bei der CDU sind es drei von 17, bei den fünf Vertretern der FDP hält die Göppinger Stadträtin Susanne Weiß die Sicht der weiblichen Bevölkerung hoch. Die AfD macht mit ihren sechs Mandaten Kommunalpolitik vollends ausschließlich zur Männersache und Die Linke ist wie in der vergangenen Legislaturperiode durch den Einzelkämpfer Christian Stähle vertreten.

Die Wahlbeteiligung ist deutlich gestiegen

Deutlich erfreulicher ist, dass die Wahlbeteiligung um fast zehn Prozentpunkte von 47 Prozent auf 56,6 Prozent gestiegen ist. Ob dies den kontroversen Debatten der vergangenen Monate zu verdanken ist, die den Alltag der Bürger direkt betreffen, oder ob die Zunahme dem allgemeinen Trend zu verdanken ist, weiß niemand so genau. Klar ist dafür, dass im Kreistag künftig mehr Kommunalpolitiker debattieren als bisher. Das Gremium wächst von 63 auf 67 Sitze an. Der Grund sind neun Ausgleichsmandate (bisher fünf), die dafür sorgen soll, dass die Verteilung der Mandate im Gremium so gut es geht dem Anteil an den Gesamtstimmen entspricht, die die Parteien bei der Wahl erhalten haben. Das ist unter anderem deshalb schwierig, weil der Kreis aus mehreren Wahlbezirken besteht.

Die Freien Wähler erhalten drei Ausgleichsmandate und können dadurch – trotz der leichten Einbußen bei den Stimmen – weiterhin 14 Vertreter ins Landratsamt schicken. Kurioserweise haben sie damit ein Mandat mehr als die Grünen, die sie bei der Gesamtzahl der Stimmen überrundet hatten, aber nur ein Ausgleichsmandat erhalten.