Der Göppinger OB habe eine „irrsinnige Sichtweise“, sagt der Stadt- und Regionalrat Joachim Hülscher. Doch jetzt bekommt er deshalb Ärger mit den eigenen Leuten.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Im Göppinger Gemeinderat droht die nächste Abspaltung. In ungewohnt deutlicher Form hat sich der Freie-Wähler-Stadtrat Wolfgang Berge bei der Sitzung am Donnerstagabend von seinem Fraktionskollegen Joachim Hülscher distanziert. „Es gibt hier eine Diskrepanz“, sagte Berge. Sollte Hülscher seine Ansichten und vor allem seinen Stil nicht ändern, müsse man sich mit den anderen Fraktionen „über ein Asylverfahren unterhalten“. Seit der Kommunalwahl im Jahr 2009 hat es schon drei Austritte bei der SPD und einen bei der CDU gegeben.

 

Ob er selbst an einen Fraktionswechsel denkt oder ob er ihn Hülscher nahe legt, ließ Berge offen. Sein Fraktionschef Wolfram Feifel gab ihm in einer schriftlichen Erklärung jedoch ausdrücklich Rückendeckung. Hülschers Äußerung sei „nicht Meinung und auch nicht Wortwahl der anderen Fraktionsmitglieder“, versicherte er. Hans Bernlöhr und Richard Schurr wollten sich öffentlich nicht äußern.

„Der OB hat eine irrsinnige Sichtweise“

Zu dem Eklat war es gekommen, weil Hülscher dem OB im Zusammenhang mit der Debatte über die Polizeireform in einer schriftlichen Stellungnahme eine „irrsinnige Sichtweise“ vorgeworfen hatte. Till, der im Vorwahlkampf offenbar nach Profilierung sucht, hatte die Neustrukturierung der Landespolizei, bei der die Göppinger Polizeidirektion einem Großpräsidium in Ulm zugeschlagen wird, als ersten Schritt zur Bildung von verwaltungstechnischen Großkreisen bezeichnet und vor einer Abtrennung der Stadt von der Region Stuttgart gewarnt. Für Hülscher, der auch Regionalrat ist, besteht hier jedoch überhaupt kein Zusammenhang. „Das ist absurd“, wiederholte er bei der Gemeinderatssitzung. Schließlich sei in der gesamten Regionalplanung Göppingen auf Stuttgart hin orientiert. Eine Entschuldigung beim OB, der sich über Hülschers Breitseite beklagt hatte, lehnte er kategorisch ab.

Eine Fraktion der alten Herren

Bei den Freien Wählern ist damit ein seit langem schwelender Konflikt eskaliert. Die fünf Fraktionsmitglieder verbinde einzig, dass sie Herren reiferen Alters seien, spotten Stadträte anderer Couleur. Bernlöhr war lange bei der SPD, Schurr bei der Grün-Alternativen-Liste, Feifel gilt als CDU-nah und Till-Freund. Hülscher wiederum, so heißt es, sitze nur im Gemeinderat, um sich beim OB für seine Abwahl als Baubürgermeister zu rächen.

Isoliert ist er in seiner Fraktion aber offensichtlich nicht. Als beim nächsten Tagesordnungspunkt die Grüne Christine Lipp-Wahl nach einer Stunde das Ende der Debatte beantragte, hatte sie auch Bernlöhr, Schurr und Hülscher auf ihrer Seite. Dass sie damit auch ihrem Fraktionsmitglied Wolfgang Berge das Wort abschnitten, war den drei Herren offenbar egal.