Viele Göppinger werden ihr Bild davon, was einen guten Zirkus ausmacht, in Zukunft etwas anpassen müssen: In der Stadt sind Nummern mit Wildtieren künftig wohl nicht mehr möglich. Das strebt zumindest eine Mehrheit der Stadträte an.

Göppingen - Nicht nur in Göppingen hat es in den vergangenen Jahren regelmäßig Auseinandersetzungen mit Tierschützern gegeben, wenn ein größerer Zirkus, mit Tieren im Programm, dort Station gemacht hatte. Vor anderthalb Jahren kam es im Stauferpark sogar zu einer heftigen Prügelei, als selbst ernannte Tierschützer und Zirkusmitarbeiter aneinander gerieten. Mehrere Menschen landeten im Krankenhaus. Doch nicht nur Aktivisten, auch die Mehrheit der Bürger findet Umfragen zufolge, dass Wildtiere nichts in Manegen verloren haben. Einer repräsentativen Forsa-Umfrage von Mai 2014 zufolge sind 82 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass Wildtiere in Zirkussen nicht artgerecht gehalten werden können. Diese Meinung vertreten auch viele Göppinger Stadträte. Für die Zirkusse hat das jetzt Folgen.

 

Die Grünen haben beantragt, städtische Flächen künftig nur noch an Zirkusse zu vermieten, die keine Wildtiere halten. Weil es rechtlich gar nicht so einfach ist, ein solches Wildtierverbot umzusetzen, haben die Grünen auf einen Trick zurückgegriffen – und dabei sowohl die Stadtverwaltung als auch die Mehrheit des Gemeinderats auf ihrer Seite. Denn die meisten sind der Ansicht, dass Tierhaltung in Zirkussen nicht mehr zeitgemäß ist.

Die Grünen greifen in die juristische Trickkiste

Obwohl es den Grünen in erster Linie um den Tierschutz geht, heißt es in ihrem Antrag, man wolle Gefahren abwenden, die mit der Haltung von gefährlichen Wildtieren in mobilen Einrichtungen einhergehen. Denn die Haltung von Wildtieren in Zirkussen ist in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern – nicht verboten. Hat ein Zirkus alle rechtlichen Vorgaben erfüllt und eine Genehmigung für die Haltung der Tiere, kann eine Kommune ihm nicht aus allgemeinen tierschutzrechtlichen Gründen die Nutzung kommunaler Flächen verbieten.

Allerdings sind Städte und Gemeinden dafür verantwortlich, ihre Bürger zu schützen. Im Rahmen der sogenannten Gefahrenabwehr können sie in weiten Teilen nach eigenem Ermessen entscheiden, in welchen Bereichen sie tätig werden und welche Vorgaben sie für sinnvoll halten. Die Grünen machen sich für ihren Antrag die Gefahrenabwehr zunutze: Kommunale Flächen sollen dem Antrag zufolge „nur noch an Zirkusbetriebe vermietet werden, die keine gefährlichen Wildtiere mitführen“. Doch potenziell gefährlich sind die meisten Wildtiere, die man in Zirkussen zu Gesicht bekommt: Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Großbären, Großkatzen, Nashörner und größere Affen wie Schimpansen.

CDU befürchtet Attraktivitätsverlust

Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren immer wieder Wildtiere aus Zirkussen ausgebrochen. So gab es zwischen 2009 und 2016 mindestens 25 Ausbrüche von Elefanten aus Zirkussen. Mindestens vier Menschen seien dabei schwer verletzt worden, 2015 wurde ein Mann in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) von einem ausgebüxten Elefanten getötet. Auch Ausbrüche von Tigern, Bären und anderen Wildtieren sind dokumentiert, in Stuttgart spazierten vor vier Jahren Kamele durch die Stadt, in Freiberg (Kreis Ludwigsburg) waren es vor fünf Jahren Bisons. In Stuttgart dürfen deshalb inzwischen keine Zirkusse mit Wildtieren mehr auftreten. Selbst der Weltweihnachtszirkus muss in diesem Jahr ohne Elefanten und Raubtiernummer auskommen.

Die Mehrheit der Stadträte begrüßte den Vorstoß der Grünen. Der FWG-Fraktionschef Emil Frick sinnierte: „Ich habe mich gefragt, wenn ich ein Tier wäre, wo wäre ich gerne: im Zirkus, im Zoo oder in Freiheit. Ich habe mich für die Freiheit entschieden.“ Allein die CDU hatte Einwände. Die Fraktion befürchtet, dass ein Wildtierverbot Göppingen für größere Zirkusse unattraktiv machen würde, da diese alle Tiere hielten. „Wenn wir das beschließen, ist es hundert Prozent sicher, dass keine großen Zirkusse mehr kommen“, monierte der CDU-Chef Felix Gerber. Dabei seien deren Gastspiele für die Stadt doch sehr erstrebenswert. Achim Fehrenbacher (CDU) wies daraufhin, dass sich die Tiere wegen des Verbots ja nicht in Luft auflösen würden. „Die werden weiter in Zirkussen sein – bloß nicht in Göppingen.“

Die Stadt macht sich jetzt an die Umsetzung des Verbots. Die Juristen im Rathaus prüfen, wie das am besten erfolgen kann. Denn – auch wenn bereits zahlreiche Städte diesen Weg gegangen sind – durch die Rechtssprechung sind Wildtierverbote zur Gefahrenabwehr noch nicht abgesegnet.