Seit seiner Wahl vor zwei Jahren galt Heinrich Fiechtner vielen als unsichtbarer Abgeordneter, weil er sich nach dem Einzug ins Parlament nicht mehr im Kreis blicken ließ. Jetzt will er sich plötzlich kommunaler Themen annehmen.

Göppingen - Zwei Jahre lang hat sich Heinrich Fiechtner im Kreis Göppingen nicht blicken lassen. Umso überraschender der Anruf: Ein Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten lud vor einigen Tagen zu einem Gespräch mit seinem Chef ein. Das Thema: Fiechtner könne nun, nach seinem Austritt aus der AfD, freier agieren und wolle sich künftig mehr im Kreis engagieren.

 

Das Wörtchen „mehr“ könnte man in diesem Zusammenhang für übertrieben halten. Denn Fiechtner gilt vielen als unsichtbarer Abgeordneter. Seit er dank des Erstarkens seiner Partei 2016 ins Parlament gelangte, war in Göppingen von ihm nichts mehr zu sehen. Sein Versprechen, dort ein Wahlkreisbüro zu eröffnen, hat der Stuttgarter nie eingelöst. Seine lange Abwesenheit im Wahlkreis erklärt der Onkologe bis heute mit seiner Praxis, für die er keinen Nachfolger gefunden habe. Tatsächlich hat er dieses Problem aber seit Januar 2017 geregelt.

Er sieht sich als „freischaffender Abgeordneter“

Damals wurde auch bekannt, dass sich Fiechtner in Sigmaringen von der AfD als Bundestagskandidat hatte aufstellen lassen – nachdem er mit dem Versuch gescheitert war, einen aussichtsreichen Listenplatz seiner Partei zu ergattern. Der Versuch, in den Bundestag zu kommen und sich dort „um die großen Entscheidungen zu kümmern“, wie er es ausdrückte, scheiterte an Streitereien innerhalb seiner Fraktion und seiner Partei.

Die AfD in Sigmaringen erklärte seine Nominierung für ungültig und ersetzte ihn durch einen anderen Kandidaten. Mittlerweile ist Fiechtner aus der Partei ausgetreten, die ihn vor zwei Jahren in den Landtag und zwei Jahre zuvor bereits in den Stuttgarter Gemeinderat katapultiert hatte. Seine Mandate aber hat er behalten. Er sehe sich jetzt, sagt er, „als freischaffender Abgeordneter“. Was er nicht sagt: Es gibt wohl kaum eine Fraktion, die den als Querulanten geltenden ExAfDler noch aufnehmen würde.

Angst vor Linken Steinewerfern

„Es ist doch viel schöner, wenn man sich in einem Café zum Gespräch trifft als in einem Wahlkreisbüro“, sagt Fiechtner am Dienstag auf der Terrasse des Café Tresor am Göppinger Marktplatz. „Da können die Bürger sehen, dass man vor Ort ist, und die Gastronomen verdienen auch etwas.“ Aus seiner Sicht sei ein Büro mit Sprechzeiten für die Bürger, wie es alle anderen Abgeordneten im Kreis betreiben, ineffektiv. Er sei stets erreichbar, wer ihn sprechen wolle, könne sich bei Veranstaltungen an ihn wenden oder anrufen und einen Termin vereinbaren. Die Pauschale, die Abgeordnete vom Land erhielten, sei ja nicht für ein Büro, sondern „für die Wahlkreisarbeit“. Deshalb werde er auch in Zukunft kein Büro in seinem Wahlkreis eröffnen. Zumal Linke sonst womöglich Fenster einschmissen oder Wände beschmierten.

Kleine Anfragen sollen seine Themen medial ins Licht setzen

Je nach Situation plane er, so sagt Fiechtner, „zwischen ein und vier Mal pro Woche“ im Kreis Göppingen zu sein, „aber natürlich wird es auch Wochen geben, wo ich jeden Tag hier bin“. Er wolle sich jetzt um Themen wie den VVS oder die Zukunft der Klinik am Eichert kümmern. Daneben kündigt er an, sich auf Landesebene um die Resozialisierung von Straftätern, Digitalisierung, Artenvielfalt sowie die Landesbauordnung kümmern zu wollen.

Dass er als mittlerweile fraktions- und parteiloser Landtagsabgeordneter gar nicht das Netzwerk hat, um irgendetwas zu erreichen, ficht ihn dabei nicht an. Er wolle vor allem über Kleine Anfragen im Landtag erreichen, dass wichtige Themen ins Gespräch kämen, kündigt Fiechtner an. Dass er zu den wichtigen Themen auch kommunalpolitische Fragen zählt, ist ebenfalls neu. „Da bin ich einfach älter und weiser geworden“, sagt er. Denn inzwischen habe er entdeckt, dass sich die Entscheidungen der großen Politik ja im kommunalen Bereich widerspiegelten.