Dem Göppinger Linken-Stadtrat Christian Stähle sitzt der Kadi im Nacken. Im Oktober soll sich der streitbare Lokalpolitiker vor dem Amtsgericht verantworten – und sein Vermieter will ihn loswerden.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Bis zur Versöhnung im vergangenen Jahr war der Linke-Stadtrat Christian Stähle viele Jahre in inniger Feindschaft mit dem Göppinger Oberbürgermeister Guido Till (CDU) verbunden. Eine noch bestehende Intimfeindschaft unterhält der Kommunalpolitiker zu seinem Vermieter. Dieser will den 60-Jährigen mit einer Räumungsklage endlich loswerden. Zudem steht dem Göppinger ein Strafverfahren ins Haus.

 

Die Miete wurde oft gekürzt

„Er hat mich ganz schön reingelegt“, schimpft der Vermieter. Seit September vergangenen Jahres bezahle Stähle keine Miete mehr, und davor habe er diese meistens stark gekürzt. Auf diese Weise seien rund 35 000 Euro Rückstände aufgelaufen. Insgesamt zwölf Strafanzeigen habe er gegen den Diplom-Theologen angestrengt. Die Vorwürfe lauten: Betrug, Sachbeschädigung und Unterschlagung. Mehrfach seien diese Verfahren nicht weiter verfolgt worden; die Staatsanwaltschaft in Ulm habe darauf hingewiesen, der Beschuldigte habe in einem anderen anhängigen Verfahren eine Strafe zu erwarten.

Um welche Vorwürfe es sich konkret handelt, darüber kann nur spekuliert werden, da die Staatsanwaltschaft zwar die Anklage bestätigt, sich aber bis zum Verhandlungsbeginn vor dem Göppinger Amtsgericht am 25. Oktober bedeckt hält. Medienberichten zufolge muss sich Stähle wegen Untreue, Diebstahl, Sachbeschädigung, Vereitelung einer Zwangsvollstreckung sowie falscher Versicherung an Eides statt verantworten. Unklar ist auch, in welchem Zusammenhang Farbschmierereien in Stähles Treppenhaus im Jahr 2017 zu sehen sind. Der Schriftzug „Verrecke“ und ein Hakenkreuz setzten jedenfalls Ermittlungen der Polizei in Gang, in deren Verlauf auch Stähles Wohnung durchsucht worden sein soll.

Stähle verwahrt sich gegen die Vorwürfe

Christian Stähle spricht von „unberechtigten Vorwürfen der Ulmer Staatsanwaltschaft aufgrund der mehr als einseitigen, teilweise gesetzeswidrigen Ermittlungen eines wild gewordenen Staatsschützers“. Diesen Ermittler habe das Polizeipräsidium in Ulm im August vergangenen Jahres von seinem Fall abgezogen. Der Beamte habe Fotos von seiner Wohnung und von Mietverträgen gemacht und Gegenstände beschlagnahmt, was er nicht gedurft hätte, behauptet der Lokalpolitiker. Die Vorwürfe, die jetzt bekannt geworden seien, habe sich der Ermittler aus den Fingern gesogen. Und rechte Seilschaften seien dafür verantwortlich, dass diese Beschuldigungen ausgerechnet kurz vor den Kommunalwahlen am Sonntag in die Öffentlichkeit getragen wurden. Eine Stellungnahme des Polizeipräsidiums Ulm zu den Vorwürfen erreichte unsere Zeitung bis zum Redaktionsschluss nicht.

Stähle weist alle Vorwürfe als unbegründet zurück und spricht von einer „gefühlten Flut von 100 Anzeigen“ seines Vermieters, der übrigens auf die Mietminderungen nie reagiert habe. Stähle macht seinerseits die Rechnung auf und fordert 6750 Euro für die Baubetreuung, den Innenausbau und den Kauf beispielsweise von Fliesen, Bodenbelägen, Heizkörpern sowie für die Ausstattung von fünf Bädern – wie es Stähles Anwältin aufgelistet hat.

Eine persönliche Erklärung ist nicht möglich

Nun könnte man meinen, so ein Mietstreit sei Stähles Privatangelegenheit. Doch seit bekannt ist, dass sich der Stadt- und Kreisrat, dem nachgesagt wird, keinem Streit aus dem Weg zu gehen, in der Sache vor Gericht verantworten muss, überwiegt an dem Fall das öffentliche Interesse. Zudem drängt der Linke mit dem Zwist selbst an die Öffentlichkeit. Doch zu den angekündigten persönlichen Erklärungen vor dem Gemeinderat am Donnerstag und einen Tag später vor dem Kreistag wird es wohl nicht kommen. Das Regierungspräsidium in Stuttgart habe angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen mit dem Verweis auf das Gleichheitsgebot vor einer Wahl Stähles Einlassungen nicht zugelassen, teilt der Kommunalpolitiker mit.

Mit dem Oberbürgermeister hat sich Stähle ausgesöhnt

Gleichzeitig bedankt sich der 60-Jährige in der Mitteilung bei dem Landrat Edgar Wolff und dem Oberbürgermeister Till, die gegen eine solche Erklärung nichts einzuwenden gehabt hätten. Bevor sich Felix Gerber, der CDU-Sprecher im Gemeinderat, als Friedensengel betätigte und Till und Stähle zur versöhnenden Aussprache bewegte, waren sich die beiden neun Jahre lang feindschaftlich verbunden. Das belegen rund 50 Dienstaufsichtsbeschwerden, mit denen Stähle die Amtsführung des Oberbürgermeisters vom Regierungspräsidium überprüfen ließ – und damit regelmäßig Schlagzeilen provozierte. Als Zoff-Stadtrat tituliert, verhalf die „Bild“-Zeitung Stähle zu überregionaler Bekanntheit. Nicht mehr ganz so schrill gibt sich der Kommunalpolitiker im Kreistag, dem er seit 2014 angehört.