Viele Eigentümer halten ihre Baugrundstücke für Enkel und Urenkel zurück. Deshalb finden junge Familien kaum noch Bauplätze in der Stadt. Eine neue Baulandstrategie soll mit sanftem und auch etwas höherem Druck daran etwas ändern. Haus und Grund passt das gar nicht.
Göppingen - Wer ein Baugrundstück in Göppingen über längere Zeit weder bebaut noch an Bauwillige verkauft, muss künftig damit rechnen, dass die Stadt das Baurecht dafür wieder entzieht. Dies ist eine der Maßnahmen in der neuen Baulandstrategie, mit der die Stadt mehr Baugrundstücke auf den Markt bekommen möchte. Die Zinsen seien so günstig wie nie, sagte der Oberbürgermeister Guido Till (CDU). Es herrsche nahezu Vollbeschäftigung. Trotzdem würden kaum neue Häuser gebaut, weil es an Grundstücken fehle. „Es kann nicht sein, dass der gegenwärtige Boom spurlos an uns vorbeigeht“, sagte Till. In den vergangenen zehn Jahren hat die Stadt 2000 Einwohner verloren. Bis zum Jahr 2030 soll ihre Zahl noch einmal um 1500 auf dann unter 54 000 fallen.
50 Familien stehen auf der Warteliste
Dabei gebe es durchaus Interesse am Wohnort Göppingen. So stünden bei der Stadt gerade 50 bauwillige Familien auf der Warteliste, denen man keinerlei Angebot machen könne, sagte die Stadtplanerin Susanne Mehlis. Herkömmliche Mittel wie die Baulandbörse brächten bei hohem Aufwand nur wenig Ertrag. Demgegenüber gebe es ganze Baugebiete, für die vor 50 und mehr Jahren das Baurecht erteilt worden sei, wo aber noch nie ein Bagger zu sehen war. „Wir können nicht einfach zuschauen, bis jemand auf die Idee kommt, sein Grundstück auf den Markt zu bringen“, sagte der OB. In diesen Fällen sei es besser, das Baurecht wieder zu entziehen und stattdessen anderswo Bauflächen auszuweisen. Ein solches Verfahren läuft gegenwärtig unter anderem in der Schurwaldstraße in Bartenbach, wo die Eigentümer – mehrere Landwirte – ein Baugebiet mit Platz für rund 100 Wohneinheiten nach wie vor als Weideland nutzen.
Haus und Grund droht mit Widerstand
Beim Vorsitzenden des Göppinger Eigentümervereins Haus und Grund, Jürgen Schaile, der für die FDP/FW im Gemeinderat sitzt, rief die Ankündigung Entsetzen hervor. Es handle sich dabei um eine Zwangsmaßnahme. „Diese Keule sollte die Stadt nicht auspacken“, mahnte Schaile und kündigte den massiven Widerstand seines Vereins an. Der Oberbürgermeister zeigte sich davon unbeeindruckt. „Es geht hier nicht um eine Enteignung.“ Schaile solle sich nicht nur als Vorsitzender von Haus und Grund verstehen, sondern auch als Stadtrat, der das Wohl aller im Auge habe. „Ich bitte Sie, uns zu unterstützen und auf Ihre Mitglieder entsprechend einzuwirken“, forderte der OB.
Der Baubürgermeister Helmut Renftle betonte, dass in der neuen Baulandstrategie die Entziehung des Baurechts nur das letzte Mittel sei. Zunächst wolle man auf die Eigentümer einwirken. Dies gelte auch für die rund 500 Baulücken in der Stadt. In Zusammenarbeit mit der städtischen Wohnbaugesellschaft (WGG) wolle man hier attraktive Angebote machen. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase sei kaum jemand bereit, sein Grundstück gegen Geld abzugeben, sagte der WGG-Chef Volker Kurz. Möglicherweise sei aber für viele ein Tausch gegen eine Immobilie aus dem WGG-Portfolio interessant. Dann habe man nicht nur ein Grundstück da liegen, sondern monatliche Mieterträge.
Bauverpflichtung in Neubaugebieten
Grundsätzlich habe die Innenentwicklung Vorrang vor der Ausweisung neuer Baugebiete am Stadtrand, sagte Renftle. Das entspreche auch der Politik des Verbands Region Stuttgart, der dem Flächenfraß den Kampf angesagt hat. Wo zur Arrondierung doch Neubaugebiete ausgewiesen würden, bevorzuge man Flächen, die in städtischem Besitz stünden. Etwaige private Eigentümer müssten entweder an die Stadt verkaufen oder sich verpflichten, innerhalb von drei Jahren zu bauen oder ihr Grundstück an Bauwillige abzugeben.
Der Stadt gehe es nicht darum, bei den Grundstücksgeschäften Geld zu verdienen. Vielmehr ziehe sie die Konsequenz aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre. So seien im Baugebiet Kirchenäcker im Stadtbezirk Holzheim die städtischen Grundstücke nach kurzer Zeit verkauft gewesen. Von den Flächen in privater Hand würde mehr als die Hälfte aber immer noch zurückgehalten, sagte Mehlis.