Nachtleben Clubszene in der Stadt ist tot

, aktualisiert am 24.09.2025 - 15:27 Uhr
Auch schon wieder mehr als zwölf Jahre her: DJ Antoine bei einer Party in der Werfthalle im März 2013. Foto: Giacinto Carlucci

Schon länger gibt es in Göppingen so gut wie keine festen Clubs oder Discos mehr. Wie Gastronomen und ein einstiger Party-Scout den Wandel im Nachtleben in der Stadt einschätzen.

Sie hießen Vivadrom, Life, Avenue Park, Apfelbaum, Roxx oder Club Rouge und lockten, mit wechselnden Namen und Konzepten, die Party-People in Massen an. Und natürlich gab es in den 90er Jahren den legendären Club Red Room auf dem Südmilch-Areal, dessen Ruf wie Donnerhall bis Stuttgart klang. Aber der Party-Boom ist längst abgeflaut. ​

 

Den Alltag mit der Sonne untergehen lassen, zwischen den späten Stunden von heute und den frühen Stunden von morgen, mit Freunden Cocktails trinken, tanzen, reden, Spaß haben – der Wunsch, so die Nacht zu leben, zieht auch heute noch Leute in Clubs und Bars. Doch wo ist das Nachtleben in Göppingen?

Verändertes Konsumverhalten auch in Göppingen

​Constantin Fetzer war in den 1990er und 2000er Jahren für die Zeitung oft in der Göppinger Clubszene unterwegs. Für ihn liegt der Anfang vom Ende in einem Wandel des Konsumverhaltens. Statussymbole kosten viel Geld, das nicht mehr in der Gastronomie ausgegeben wird. Er nennt ein Beispiel von früher: „Als die ersten Handys aufkamen und Klingeltöne und SMS noch Geld kosteten und immer teurere Markenklamotten im Trend waren, sind die Pro-Kopf-Umsätze in der Erlebnisgastronomie merklich gefallen“, sagt Fetzer. „Das haben die Betreiber gespürt, die dann wiederum am Programm und attraktiven Events gespart haben – so begann die Abwärtsspirale.“ Heute seien es andere Statussymbole, die Geld kosten, das nicht mehr in Clubs und Kneipen ausgegeben wird, zumindest nicht in der Höhe wie damals.​

Fetzer sagt aber auch: „Insgesamt hat sich der Club-Flair geändert – auch, was das Publikum angeht. Von den einst sicher auch nicht immer einfachen GIs der US-Army, die neben Hip-Hop noch ein bisschen Coolness in die Clubs brachten, hin zu anderen Nutzergruppen, die nicht immer eine friedliche Party im Sinn hatten. Da ist so manchem die Lust an der Party vergangen – sowohl den Besuchern als auch den Clubbetreibern.“

Soziale Kontakte lieber online?

​Und einen zweiten Aspekt nennt der frühere Party-Scout: „Soziale Kontakte können heute nicht nur an der Bar im Club, sondern eben auch vor allem online geknüpft werden, auch hier verliert die Gastro an Attraktivität“, findet Fetzer, auch wenn das nicht nur für Clubs gilt.​

„Diese Rahmenbedingungen machen es bis heute schwer, eine attraktive Erlebnisgastronomie dauerhaft zu bieten“, glaubt Fetzer. Der Trend gehe daher eher zu Einzelveranstaltungen als zu Events. Größere Festivals lägen im Trend bei den Partygängern, die früher regelmäßig in Clubs getanzt haben und jetzt eben lieber dort feiern. „Es gibt also schon noch Partyfans, aber eben woanders.“​

Simone Jüttner, Mitarbeiterin im Caffe Bozen am Göppinger Schlossplatz, spricht von einem „Wandel der Zeit“. Die Jüngeren würden ein Nachtleben wie früher nicht mehr kennen, und die Nachfrage nach Clubs und Discos in Göppingen sei gesunken. „Es ist schwierig, ein Geschäft dann auch zu halten und ein Publikum zu finden.“ Feierlustige trifft man heute eher am Bahnhof, wenn sie auf Züge Richtung Ulm oder Stuttgart warten, um sich dort dem nächtlichen Treiben anzuschließen.

Gediegene Feste in Göppingen

​Im Caffe Bozen, einer Gastronomie mit italienischem Konzept und „kleiner Küche“, wie Simone Jüttner beschreibt, treffe sich ein „gemischtes Publikum“ aus jüngeren und älteren Menschen, erzählt sie. Über die Sommermonate veranstaltet das Café jedes Jahr sechs Veranstaltungen auf dem Schlossplatz. Auf diese Weise finde auch abseits der Stadtmitte oder Clubs ein Nachtleben statt – vom Bierfest über die Fiesta Sudamericana bis hin zum eigenen Weinfest. Die Feste seien natürlich mit Livemusik und Getränken verbunden, meint Simone Jüttner, die nächtliche Stimmung sei dennoch „sehr gediegen“ und ruhiger als bei einem Event auf dem Marktplatz.​

Cocktails, Billard und eine Terrasse mit Blick über die Göppinger Stadtmitte – das bietet das City Pool in der Marktstraße, freitags bis 3 Uhr morgens. „Man kommt her und schaltet ab“, sagt Inhaber Michael Tok über seine Bar und deren Besucherinnen und Besucher. Auch im City Pool würden Jugendliche und Ältere aufeinandertreffen. Am Abend sei das Publikum meistens 25 Jahre und älter, schätzt Tok seine Gäste ein. „Überwiegend wird Billard gespielt“, sagt er, „das ist ein Hauptaspekt im Laden.“ Am 2. September feierte das City Pool übrigens seinen 19. Geburtstag.

Göppinger Wirt spricht von "riesiger Veränderung"

​Und was antwortet Michael Tok auf die Frage, ob sich das Göppinger Nachtleben in diesen annähernd 20 Jahren gewandelt hat? Es hat eine „riesige Veränderung“ stattgefunden, meint Tok. Über die Bar selbst sagt er: „Vor Corona haben wir abends so gut wie keinen Platz gehabt, jetzt ist immer was frei.“ Samstagabends schaut er um 22 Uhr in eine leere Fußgängerzone und kann nur mutmaßen, was die Gründe für das veränderte Verhalten der Leute sind. Einerseits sei natürlich alles teurer geworden, sagt der Inhaber, „aber Preise sind eine Gewöhnungssache“. Andererseits schätzt Tok, dass viele Menschen das Gefühl haben, die Kriminalität in Göppingen sei gestiegen. Er kann sich vorstellen, dass ein aktives Nachtleben auch von der Angst, nachts rauszugehen, verdrängt worden ist. Zudem sei es schwierig, Events zu veranstalten, wenn das eigene Geschäft Nachbarn hat und man als Veranstalter deshalb Lärmbelästigung vermeiden muss.

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