Der Gemeinderat erfährt durch ein Schreiben einer Firma, dass eine Sanierung des Krematoriums sehr wohl möglich wäre. Die Stadt hat das stets abgestritten.

Göppingen - Gerade hat es noch so ausgesehen, als würden sich die Wogen beim Thema Krematorium langsam glätten, nun entflammt die Debatte darüber neu, ob man nicht doch die alten Räume sanieren und selbst betreiben könnte, statt ein neues Gebäude zu bauen und einen privaten Betreiber zu suchen. Der Anlass ist ein Schreiben an alle Stadträte der Firma CremTec aus Stade, die sich auf den Bau und Betrieb von Krematorien spezialisiert hat. Darin heißt es, man habe im vergangenen Jahr mit der Stadt Kontakt gehabt, ein Angebot für die Sanierung der stillgelegten Anlage gemacht und auch angeboten, ein Betreiberkonzept zu erstellen.

 

Viele Stadträte waren gestern empört darüber, dass sie von der Stadtverwaltung damals nicht darüber unterrichtet worden sind. Tatsächlich hat die Stadt stets betont, dass eine Sanierung des alten Krematorium aufgrund zahlreicher Mängel nicht möglich oder doch zumindest völlig unrentabel sei. Zudem hatte sie immer wieder angezweifelt, ob sich überhaupt ein Betreiber für das Krematorium finden lasse.

Grüne beantragen Machbarkeitsstudie

Viele Stadträte, die von der Firma nun gänzlich andere Informationen erhalten haben, fühlen sich von der Verwaltung getäuscht. Je nach Temperament des einzelnen schwankt die Reaktion zwischen Kopfschütteln und blanker Wut. Viele fühlen sich in ihrer Annahme bestätigt, dass die Verwaltung von Anfang an nicht begeistert von dem Gedanken gewesen sei, den Krematoriumsbetrieb in Göppingen aufrecht zu erhalten – und sich deshalb auch nicht weiter dafür engagiert habe.

Die Freien Wähler denken nun offenbar darüber nach, einen Vertreter der Firma in eine der nächsten Gemeinderatssitzungen einzuladen. Die Grünen werden in der Sitzung an diesem Donnerstag den Antrag stellen, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, die den Aufwand und die Kosten für eine Sanierung des bestehenden Krematoriums mit einem Neubau vergleicht. Genau diese Informationen haben Stadträte, darunter auch die Freien Wähler und SPD, schon in der Vergangenheit mehrfach gefordert. Auf dieser Grundlage wollen die Grünen dann entscheiden, ob neu gebaut oder saniert wird. Die Frage, wer das Krematorium am Ende betreibe, müsse erst beantwortet werden, wenn klar sei, ob man nun doch saniere oder neu baue, findet der Fraktionschef Christoph Weber. „Wir können ja nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen“, argumentiert er.

Baubürgermeister wehrt sich gegen Vorwürfe

Der Baubürgermeister Helmut Renftle hält der Empörung entgegen, dass die Firma im vergangenen Jahr nur ein allgemeines Angebot abgegeben habe, in dem davon ausgegangen worden sei, dass mit dem Gebäude selbst im wesentlichen alles in Ordnung sei. Gerade dies sei aber nicht der Fall. „Der mangelhafte Baugrund, die nicht gegebene Fluchtwegesituation, die Unzulässigkeit der Kühlsysteme sowie die Arbeitsplatzsituation wurden nicht berücksichtigt oder kostenmäßig erfasst“, schreibt er. Die Bauverwaltung habe das Angebot für nicht umsetzungsfähig gehalten und sei deshalb nicht darauf eingegangen.

Dagegen wehrt sich der Projektleiter von CremTec, Svend-Jörk Sobolweski. „Wir hatten es satt, immer wieder in der Zeitung zu lesen, dass man das alte Krematorium nicht sanieren könne“, berichtet er. „Deshalb haben wir das Schreiben an die Gemeinderäte geschickt.“ Tatsächlich sei die Stadt im vergangenen Frühjahr auf die Firma zugekommen und habe gefragt, ob sich eine neue Verbrennungsanlage in das Krematorium einbauen lasse und wie hoch die Kosten für eine Sanierung seien. Daraufhin sei man zwei Mal vor Ort gewesen und habe der Stadt dann im Mai eine Kostenschätzung geschickt, sagt Sobolweski. Danach habe man nichts mehr aus Göppingen gehört. Über einen mangelhaften Baugrund sei seinerzeit nicht gesprochen worden, aber es sei Teil des Angebots gewesen den Arbeitsplatz zu sanieren. Auch der Einbau von Fluchtwegen sei aus seiner Sicht kein Problem. „Ich bleibe dabei, dass es möglich ist, das Krematorium den Vorgaben entsprechend zu sanieren.“

Kommentar: Die Räte haben zu entscheiden, nicht die Verwaltung

Kann das wirklich sein? Die Stadtverwaltung erfährt von einer Firma, dass sich das alte Krematorium sanieren ließe. Dennoch erzählt sie den Stadträten konsequent, dass eine Sanierung und damit eine Fortsetzung des städtischenKrematoriumsbetriebs unmöglich sei. Wenn man der Firma CremTec glaubt, spricht vieles dafür, dass die Verwaltung den Gemeinderat über Monate hinweg mit Halbwahrheiten abgespeist hat.

Doch selbst, wenn nichts dran ist an solchen Vorwürfen, fragt man sich schon, warum die Stadträte nicht zumindest über die Ergebnisse der Gespräche mit dieser und vier anderen Firmen informiert wurden. Manchmal drängt sich in Göppingen der Gedanke auf, dass die Verwaltungsspitze dazu neigt, zu vergessen, dass es Sache des Gemeinderats ist, zu entscheiden, was in der Stadt gebaut wird und was nicht. Und es ist Aufgabe der Verwaltung, das Gremium so umfassend zu informieren, dass es seine Entscheidungen auch unabhängig von den Wünschen der Verwaltung treffen kann.