Immer wieder nutzen Vermieter aus, dass sich Flüchtlinge nicht mit hiesigen Gepflogenheiten auskennen und drehen ihnen marode Wohnungen an.

Göppingen - Für Häuser, die dringend saniert gehören, haben findige Vermieter in Göppingen Abnehmer gefunden, die vieles hinnehmen, was sich andere nicht bieten lassen würden: Flüchtlinge. Diese versuchen verzweifelt, auf dem umkämpften Wohnungsmarkt eine Bleibe in einer zentralen Lage zu finden. In der Göppinger Innenstadt gibt es Insidern zufolge mehrere Gebäude mit völlig heruntergekommenen Wohnungen, die für teures Geld an Flüchtlinge vermietet wurden. Auch in anderen Städten entlang der Filstalachse nutzen manche Vermieter die Not von Flüchtlingen aus, wie das Landratsamt beobachtet.

 

Das Thema Wohnen ist ein Dauerbrenner in den Beratungsgesprächen der sieben Göppinger Integrationsmanager. Die Situation habe sich zwar etwas entspannt, seit weniger Flüchtlinge kämen, berichten Müjgan Kasikci und Helen Tautz. „Aber auch jetzt dreht sich noch fast jedes zweite Gespräch ums Wohnen“, sagt Tautz. Meistens gehe es darum, dass die Flüchtlinge versuchten, überhaupt aus der Sammelunterkunft herauszukommen oder dass sie sich eine zentral gelegene Wohnung wünschten. Denn die Flüchtlinge dränge es in die Innenstadt, wo es für sie leichter sei, Kontakte zu knüpfen und Behördengänge zu erledigen.

Das Jobcenter übernimmt die Mietkosten

Die Integrationsmanager wissen von mehreren Gebäuden mit extrem heruntergekommenen Wohnungen. Da hause etwa eine achtköpfige Familie in einer völlig verschimmelten Wohnung. Laut den Fachleuten wurden manchen Flüchtlingen Zimmer vermietet, in denen Kabel herumhängen und Rohre offen liegen. Es gibt Räume mit Löchern in den Decken oder Wänden, eine Wohnung, die keine Fenster hat, und anderes mehr. Manche dieser „Wohnungen“ wurden nie zum Wohnen zugelassen. Einer der Betroffenen, ein junger Syrer, habe monatelang in einem Zelt gehaust, bevor er in eine mit Schimmel verseuchte Wohnung umgezogen sei. „Er war froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu bekommen“, erklärt dies Tautz.

Die Mietkosten übernimmt das Jobcenter des Landratsamts. Kritiker bemängeln, dass die Behörde zum Teil den Höchstsatz bezahle, ohne die Wohnungen zu prüfen. Doch tatsächlich ist das gar nicht deren Aufgabe. Wenn Flüchtlinge eine Wohnung für die Anschlussunterbringung finden, gehen sie mit dem Mietvertrag, den sie direkt mit dem Vermieter abschließen, ins Jobcenter, um sich die Kostenübernahme genehmigen zu lassen. Dort prüfen die Mitarbeiter nur, dass die Kostenobergrenzen nicht überschritten werden. Mietminderungen wegen Wohnmängeln und ähnliches müssten die Flüchtlinge selbst veranlassen, da sie die Vertragspartner seien, teilt das Landratsamt mit.

Meist erfahren die Integrationsmanager als erste von Problemen

Vermieter, die Wohnungen in Einzelzimmer unterteilen und ihre Mieter zu unfreiwilligen WG-Bewohnern machen, kommen auf einen besonders guten Schnitt. Denn die Behörde bezahlt nicht nach Quadratmetern, sondern pro Kopf. So weiß etwa der FDP/FW-Stadtrat und Vorsitzende des Vereins Haus und Grund Göppingen, Jürgen Schaile, von einem maroden Gebäude, in dem der Besitzer Zimmer eingerichtet und an neun Flüchtlinge für den Maximalsatz von 500 Euro pro Person vermietet hat. In manchen Fällen, sei man nahe am Wucher, schimpft Schaile. Das sei in der Stadt freilich schwer nachweisbar, weil es keinen Mietspiegel gebe.

Weil das Landratsamt für die Mietkosten zuständig sei, hätten sie kaum Möglichkeiten, das Problem zu lösen, berichten die Integrationsmanager. Sie sind meist die ersten, die von den Problemen erfahren. Denn ihnen vertrauen sich die häufig sehr vorsichtigen Flüchtlinge am ehesten an. Sie kennen nicht nur die Schrottwohnungen, sie wissen auch von Vermietern, die behaupten, der Flüchtling müsse 200 Euro bezahlen, um ausziehen zu dürfen, von Vermietern, die sich weigern, ein Formular für das Jobcenter zu unterzeichnen, wenn der Flüchtling nicht einer Mieterhöhung zustimmt, oder von fiktiven Nebenkosten, die die Flüchtlinge bezahlen sollen. Und im Zweifel, erzählen Tautz und Kasikci, werde mit der Ausländerbehörde gedroht. Viele Flüchtlinge ließen sich so einschüchtern.

Stadt und Landratsamt intensivieren Zusammenarbeit

Seit es die Integrationsmanager gibt, die sich in Göppingen um die Flüchtlinge kümmern, wird die Situation besser. Sie beraten ihre Schützlinge oder informieren andere Behörden über Wohnungen in zweifelhaftem Zustand. Außerdem hat sich die Erste Bürgermeisterin Almut Cobet, nachdem das Ausmaß der Probleme dank der Integrationsmanager klar geworden war, mit Vertretern des Kreissozialamts und des Jobcenters zusammengesetzt und eine engere Zusammenarbeit vereinbart.

Im Fall der Familie in der Schimmelwohnung konnte die Stadt bereits helfen: Das Baurechts- und das Gesundheitsamt haben die Wohnung überprüft und eine baurechtliche Anordnung an den Vermieter erlassen. Er muss die Wohnung – vom Amt kontrolliert – fachgerecht sanieren.