Der Deal war kurz vor knapp zustande gekommen: Wenige Tage vor Weihnachten im Jahr 2023 haben die Allgaier-Sanierer die Prozesstechnik-Sparte des insolventen Unternehmens verkauft. Erwerberin war die Stafag International GmbH aus Mülheim an der Ruhr, Dachgesellschaft einer mittelständischen Unternehmensgruppe, zu der unter anderem auch die Siebtechnik GmbH gehört. Ein gutes Jahr später zieht der Geschäftsführer der Process Technology, Reinhard Scholz, eine Zwischenbilanz und blickt optimistisch nach vorn.
Herr Scholz, die Prozesstechnik-Sparte von Allgaier ist vor gut einem Jahr in letzter Minute gerettet worden. Wie geht es ihr heute?
Der ganze Übernahme-Prozess hat sich sehr lange hingezogen und war für uns eine Achterbahnfahrt. In so einem Moment weiß man nicht ganz genau, was man erwirbt – und ob die wichtigen Mitarbeiter dem Unternehmen treu bleiben. Nach einem Jahr kann ich jetzt rückblickend sagen: Wir sind ausgesprochen zufrieden mit der Entwicklung, gerade vor dem Hintergrund der allgemeinen Wirtschaftslage, in der viele Kunden Investitionen und Projekte verschieben. Während viele Marktbegleiter mit rückläufigen Bestellungen konfrontiert sind, haben wir in diesem ersten Jahr einen großartigen Auftragseingang hingelegt, einen der besten in unserer Unternehmensgeschichte. Eine solche Performance aus dem Stand heraus bestätigt die gute Reputation der Allgaier Process Technology in den Bereichen Trocknung und Siebung.
Bereits in der ersten Betriebsversammlung im Sommer 2024 herrschte Aufbruchstimmung. Warum konnte sich die Process Technology unter der neuen Eigentümerin so schnell berappeln?
Fragen Sie mal meine Kollegen. (lacht) Es war wirklich ein Riesenstück Arbeit, um das Schiff hier wieder flottzumachen. Bankkonto, Steuernummer, Gewerbelizenz, tausend Formalitäten. Das sind große bürokratische Hürden, um aus der Insolvenz heraus überhaupt wieder als Betrieb funktionieren zu können. Es sind Mitarbeiter zu motivieren. Und wir mussten unseren ganzen Lieferanten und Kunden sagen: Uns gibt es wieder, es geht weiter, wir sind wieder ein verlässlicher Partner. Ich muss den Kollegen hier einen großen Dank aussprechen, das haben sie toll gemacht. Das ist, was mich so optimistisch stimmt: Die Mitarbeiter passen von ihrer Einstellung und ihrer ganzen DNA her perfekt in unsere familiengeführte Unternehmensgruppe.
Die vergangenen Jahre ging es beim Gesamtunternehmen Allgaier viel um Krise und Restrukturierung. Wurde die Prozesstechnik da im Strudel der Autoindustrie auch ein Stück weit mitgerissen?
Dieses krisenhafte Geschehen war tatsächlich mehr von Automotive geprägt. Wir bei der Prozess-Technik haben nicht die ganzen letzten Jahre Krise gehabt, es gab auch positive Entwicklungen. Aber ja, es stimmt, wir sind dann mitgerissen worden und standen ohne alles da. Das Ganze dann aus der Insolvenz wieder in Gang zu bringen, war herausfordernd.
Sie sprechen viel über die Mitarbeiter, die sehr engagiert sind. Sind die denn während der Insolvenz alle an Bord geblieben?
Wenn man so eine Firma übernehmen will, ist das die ganz große Frage: Wie viele der wichtigen Leute bleiben an Bord? Wir haben Kollegen verloren, manche sind ganz planmäßig in Rente gegangen, aber alle wichtigen Schlüsselmitarbeiter sind dem Unternehmen treu geblieben. Das ist ganz wichtig und hat uns bei unserem Neustart sehr geholfen. Die Maschinen sind da, die Räumlichkeiten sind da, aber wenn das Know-how weg ist, ist das sehr schwer zu ersetzen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie aktuell?
Wir haben jetzt ungefähr so viele Mitarbeiter wie bei der Übernahme, also etwa 160, alle hier am Standort.
Wenn Sie so einen hervorragenden Auftragseingang haben: Wollen Sie Personal aufstocken?
Wir wollen wachsen und haben Pläne in der Schublade. Wir haben starke Schwester- und Tochterunternehmen in den USA, in China, in Australien, in Südafrika und im Rest von Europa – teilweise mit lokaler Fertigung und eigenem Service. Allgaier hat auch früher schon weltweit Geschäfte gemacht, aber mit einem starken Fokus auf Europa und war global zumeist von Agenten abhängig. Das versuchen wir jetzt in ein nachhaltigeres globales Auftreten innerhalb der Gruppe zu erweitern. Und auch wenn das ein lang angelegter Prozess ist, so hoffen wir doch, bereits im ersten Halbjahr 2025 den ersten Auftragseingang über unsere Schwesterfirma in den USA realisieren zu können.
Das heißt, es wird auf absehbare Zeit mehr Personal notwendig sein?
Der Auftragsbestand, den wir jetzt haben, passt für die aktuelle Mannschaft. Aber natürlich gibt es eine Wachstumsstrategie, aus der sich auch ein Personalbedarf ergibt, das ist aneinander gekoppelt. Im ersten Jahr lag der Fokus darauf, wieder arbeitsfähig zu werden.
Sie hatten angekündigt, dass die Aufstellung der Process Technology als eigenständiges Unternehmen umfangreiche Investitionen erfordere. Was genau ist geplant am Standort Uhingen?
Die alte Process Technology war in vielen Bereichen sowohl personell als auch versorgungstechnisch vollständig abhängig von der Automotive-Sparte. Es war immer klar: Wir müssen autark werden. Unser größtes Investment ging in die IT, wir haben ein eigenes, hochmodernes Rechenzentrum aufgebaut. Damit verbunden war der Aufbau eines eigenen Telefonnetzes. Zudem haben wir in die eigene Stromversorgung und etliche andere Dinge investiert. Auch das alte, inzwischen verschimmelte Verwaltungsgebäude wurde abgerissen. Hier werden in zwei bis drei Jahren hochmoderne Fertigungshallen entstehen. Aber die Planung dazu steckt noch in der Anfangsphase.
Gibt es denn noch Dinge, die mit dem Automotive-Bereich verbunden sind?
Unsere Siebmaschinenfertigung ist noch im Werk zwei angesiedelt. Wir haben dort noch für eine gewisse Zeit einen Mietvertrag. Wir werden den Bereich aber umziehen. Wir haben hier Grundstücke erworben, auf denen wir neue Fertigungshallen bauen werden.
Also ein klares Bekenntnis zum Standort Uhingen und auch zur Produktion am Standort hier...
Ganz klar. Wir wollen hier am Standort bleiben, alle Siebmaschinen werden weiter hier gebaut.
Bei der nur einen Steinwurf entfernten Automobilsparte des insolventen Unternehmens Allgaier stehen die Zeichen auf Abwicklung. Glück und Leid einer Traditionsfirma liegen nah beieinander.
Ja, das ist wirklich eine tragische Entwicklung. Und es belastet auch unser Unternehmen immer weiter, dass viele Kunden, Lieferanten und auch die Bevölkerung, aus der wir ja neue Mitarbeiter gewinnen wollen, nicht zwischen unserem Erfolgsunternehmen und der leider in der Abwicklung befindlichen Automobilsparte differenzieren können. Die Entwicklung ist traurig, die Leute kennen sich untereinander. Aber geschäftlich verbandelt waren beide Sparten nie.
Blicken wir zum Abschluss noch in die Zukunft: Wo sehen Sie die Process Technology in zwei, drei Jahren?
Ja, wir schauen wirklich mit Zuversicht nach vorne, und das ist ja heute schon was. (lacht) Aber wir leben nicht auf einem anderen Stern. Natürlich sind auch wir mit Projekten konfrontiert, die verschoben werden. Aber wie gesagt haben wir das bisher hervorragend ausgleichen können. All unsere Vorhaben, also zum Beispiel auch die globale Expansion, stecken noch in den Kinderschuhen, da müssen wir die PS noch auf die Straße bringen. Ziel unseres Familienunternehmens ist es, den Wert der Firma für die nächste Generation nachhaltig zu steigern. Dafür geben wir uns die notwendige Zeit.
Ein promovierter Verfahrenstechniker
Biografie
Reinhard Scholz, Jahrgang 1962, lebt mit seiner Familie am Niederrhein. Der promovierte Verfahrenstechniker war viele Jahre lang als Ingenieur, Vertriebler und Projektmanager im internationalen Anlagenbau tätig. Danach wechselte er als Geschäftsführer zur GEA Group.
Beruf
Bei der GEA Group verantwortete er zuletzt als Senior Vice President die Bereiche Eindampfung, Destillation, Kristallisation und Gefrierkonzentrierung. Seit langem ist Scholz Geschäftsführer der Siebtechnik GmbH und übernimmt in der Stafag-Gruppe weitere Managementaufgaben.
Firma
Die weltweit aktive Unternehmensgruppe mit 3800 Mitarbeitern erzielt nach Unternehmensangaben einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro und ist auf die Aufbereitung mineralischer Schüttgüter sowie Fest-Flüssig-Trennung und Trocknung in verschiedenen Industrien spezialisiert.